Sonntag, 27. Dezember 2015

Arbeit und Gedanken 2

Über viele Schriftsteller-innen habe ich gelesen, dass sie beim Gehen und Wandern die besten Ideen entwickeln können - oder konnten, so wie der Universal-Gelehrte, Schriftsteller, Entdecker, Wissenschaftler, ... John Muir (1838 - 1914), der es so ausdrückt:

"Ich ging nur hinaus, um einen Spaziergang zu machen, und entschloss mich schließlich, bis zum Sonnenuntergang draußen zu bleiben, denn ich erkannte, dass ich beim Hinausgehen in Wirklichkeit nach Innen ging."

Interessant finde ich, was Max Frisch (1911 - 1991) in einem Interview mit Horst Bienek über das ICH sagt:

"... Ganz vordergründig gesprochen: Natürlich ist das Erzähler-Ich nie mein privates Ich, ..., aber vielleicht muss man schon Schriftsteller sein, um zu wissen, dass jedes Ich, das sich ausspricht, eine Rolle ist. Immer. Auch im Leben. Auch in diesem Augenblick. ...
Das ist unheimlich. Wer es weiß, hat Mühe zu leben. Wer es nicht weiß, und zum Glück wissen es die Wenigsten, hat keine Wahl, da er seine Erfindung von sich selbst nicht durchschaut, und seine ganze Kraft dient dazu, Vorkomnisse herbeizuführen, die seine Erfindung bestätigen - beispielsweise seine Erfindung, ein Pechvogel zu sein, ..."

Etwas weiter im Interview:

"Was wir in Wahrheit haben, sind Erfahrungen, Erlebnismuster. Nicht nur, indem wir schreiben, auch indem wir leben, erfinden wir Geschichten, die unser Erlebnismuster ausdrücken, die unsere Erfahrung lesbar machen. ...
Der Vorfall, ein und derselbe, dient hundert verschiedenen Erfahrungen."

Marie Luise Kaschnitz (1901 - 1974) spricht über ihre Arbeit ebenfalls in einem Interview mit Horst Bienek.

"Ich glaube, dass niemand ohne eigene Erfahrungen zu verwenden schreiben kann. Es müssen aber nicht immer ausgewachsene Erlebnisse sein. Es können Keime von Erlebnissen sein, auch Keime von Anlagen und Ansichten, die man in sich trägt und die man literarisch entwickelt."

In ihrem Buch 'Wort für Wort' schreibt Elizabeth George (*1949) in ihrer Einleitung:

"Ich glaube seit langem, dass der Schreibprozess aus zwei unterschiedlichen, aber gleich wichtigen Hälften besteht: Die eine hat etwas mit Kunst zu tun, die andere mit handwerklichem Können. Zweifellos kann man Kunst nicht lehren ... Doch es ist lächerlich und kurzsichtig zu glauben, dass man die Grundzüge der Erzählkunst nicht lehren kann."

Mit diesem kleinen Strauß schriftstellerischer Meinungen verabschiede ich mich in die nächste Woche.


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