Donnerstag, 31. Dezember 2015

Wenn wir alle gut wären

Das ist der Titel einer Kurzgeschichte von Irmgard Keun, die wunderbar zum Jahreswechsel passt. Wenn ihr euch also noch mit guten Vorsätzen plagt, empfehle ich euch das Lesen von "Wenn wir alle gut wären".
Genauso heißt ihr Buch voller satirischer Kurzgeschichten, das 1983 bei Kiepenheuer & Witsch erschienen ist.
In diesem Artikel von 1979 gibt es weitere Informationen über die Schriftstellerin mit außergewöhnlichem Lebenslauf, die im Februar 111 Jahre alt geworden wäre:
www.zeit.de/1979/47/seele-mit-sektkorken

Vor einigen Wochen hat Birgit Böllinger auf ihrem Blog Sätze&Schätze ebenfalls über Irmgard Keun geschrieben. Wie alle anderen Beiträge von ihr ist auch dieser sehr lesenswert.


Jetzt wünsche ich allen ein wunderbares, gesundes, kreatives Jahr 2016!

Mittwoch, 30. Dezember 2015

Fragen über Fragen

und ausgesprochen interessant manchmal. Sie werden gestellt - von Bloggern an Blogger, zum Beispiel hier:
http://www.booknerds.de/2015/10/deretwasanderefragebogen/

Da ich gerade über einer Hauptfigur meines neuen Romans brüte, das schon oft getan habe und, wie es scheint, auch noch eine Weile tun werde, mache ich hier eine Pause und beantworte Fragen der Booknerds, zumindest ein paar.


Runde 1 - gemischte Fragen an Blogger, Redakteure und mehr:

- Welche Daseinsberechtigung hat dein Blog?
Das habe ich mich bei meinem letzten auch gefragt und ihn geschlossen, als mir keine Antwort eingefallen ist. Kurz darauf habe ich eine Beratung für den Weg in die Selbständigkeit in Anspruch genommen und die dringende Empfehlung erhalten, ein Blog oder eine Homepage zu betreiben und schwupps ... da ist er. Ich bewerbe im Blog mein Buch, meine Schreibkurse und beantworte auch schon einmal nichtgestellte Fragen.

- Der Blog oder das Blog?
Eigentlich DAS ...Logbuch. Aber mir fällt die sächliche Form schwer. Darum beschließe ich jetzt, in diesem Augenblick, ab heute DER Blog zu sagen, zu schreiben und sogar zu denken - aber das habe ich sowieso schon immer getan.

- Einer deiner Artikel wird von einem anderen Blogger oder beispielsweise einem Amazon-Rezensenten geklaut. Wie reagierst du?
Wahrscheinlich bin ich empört, tadele mich aber Minuten später selbst für meine kleinlichen Gefühle. Warum die geistigen Höhenflüge nicht teilen oder einfach stolz darauf sein, dass ein anderer meinen Artikel zum Niederknien findet und ihn deshalb stehlen muss? Da fehlt es eben ganz klar an Selbstbewusstsein, eigenen Ideen, Fairness, Sozialverhalten, Professionalität, ...!  ICH habe soetwas jedenfalls NICHT nötig! Tss! Aber ich ärgere mich nicht, neinnein.

- Dein Blog ist urplötzlich offline, nichts geht mehr. Wie reagierst du?
Ich verdrehe die Augen, fluche, denke darüber nach, wieder mit Füllfederhalter zu schreiben und mir eine Kammer unter einem stark beschädigten Dach zu mieten, um in den vollkommenen Genuss eines romantischen Schriftstellerinnendaseins zu kommen. Nach diesem Anfall rufe ich meinen Sohn an und frage scheinheilig, wie es ihm geht. Ich werde alle Möglichkeiten mütterlicher Schmeicheleien und Drohungen hervorkramen und sogar zur Anwendung bringen, wenn nötig. Tja, und dann weiß ich auch nicht weiter. Vielleicht sehe ich den Totalausfall schließlich als ein Zeichen: Manche Blogs sollen einfach nicht sein.

- Du hast einen Gutschein erhalten, um 2500 gleiche Artikel deiner Wahl mit dem Logo deines Blogs als Werbeartikel anfertigen zu lassen. Allerdings sind Flyer, Lesezeichen, T-Shirts und Kugelschreiber tabu.
Am liebsten hätte ich Pixibücher, in denen eine Kurzgeschichte von mir steht - draußen dann das Logo, das ich nicht habe. Müsste ich dann schnell noch entwerfen.
Sonst könnte ich mir winzige Leselampen vorstellen, Schokoladetafeln oder Pralinenpackungen - winzige natürlich. Schlüsselanhänger oder gleich ein Tattoo? Notizbücher, Postkarten, Mousepads, Siegelringe, Straßenbahnaufkleber, Burgwappen. Oh, ist das aufregend, ich freue mich so!

- Nenne zwei Bücher und deinen passenden Soundtrack dazu.
Das ist sehr schwierig, weil ich wenig Musik höre. (Wenn ich jetzt mein eigenes Buch nenne, in dem sogar ein bisschen Musik aus Schwanensee eine Rolle spielt, wäre das doof, oder? Jaaa!)
Mir fällt nichts ein, wirklich. Bücher und Musik sind voneinander entfernt, für mich zumindest. Ich kann aber verraten, dass ich The Blues Shop Trio mag und sowieso viele Stücke der 60er und 70er. 
Mir fallen auch direkt zwei Bücher ein: 
Philipp Hedemann, Der Mann, der den Tod auslacht
Elke Schmitter, Frau Sartoris

- Schreibst du deine Rezensionen handschriftlich vor?
Notizen dazu ja. Dann formuliere ich am PC und schreibe solange um, bis es passt.

- Verunstaltest du Bücher für deine Schreibarbeit mit Knicken, Markierungen etc. oder behandelst du sie eher wie ein rohes Ei?
Da ich oft Fachliteratur lese, mit den Texten arbeite, behandele ich die Bücher meistens auch wie Arbeitsmaterial: Ich schreibe hinein und beklebe sie mit bunten Zetteln. Wenn ich von Autoren gebeten werde, ein Manuskript durchzulesen, schreibe ich, wenn von den Verfassern erlaubt, auch an den Rand. 
Mit Romanen gehe ich meistens sehr pfleglich um, es sei denn, sie nerven mich so gewaltig, dass ich sie später nicht einmal mehr verschenken oder verkaufen will. Dann benutze ich sie als Arbeitsmaterial, um aus den (vermeintlichen?) Fehlern zu lernen, streiche, kritzle, knicke.

- Wenn du eine Schreibblockade hast - wie gehst du vor, um sie zu überwinden?
Ich beantworte Fragen anderer Blogger. Wenn ich damit fertig bin, suche ich mir einen frischen Ansatz, z.B. die Entwicklung einer bestimmten Figur. Ich lade sie beispielsweise zu einem Interview ein. Oder ich entwerfe Gegend. Oft hilft es auch, Pause zu machen und einen Roman zu lesen, sich inspirieren zu lassen. Dazu gehört auch langes Spazierengehen.

- Schreibe ein kleines Gedicht (mindestens Vierzeiler) über deinen Blog.
Nein!

- Du liest in einer anderen Rezension absoluten (tatsächlichen!) Unfug - sie quillt über vor inhaltlichen Fehlern. Kommentierst du? Schreibst du den Verfasser an? Oder hältst du die Finger still?
Wenn es um eigene Texte geht, sage ich nichts. Ich habe kein Interesse an verzweifelt erscheinender Selbstverteidigung. Ich gucke eher, ob etwas Wahres an der Kritik ist, die ich dann für mich nutzen kann. Läse ich unsinnige Rezensionen über Bücher anderer Autoren, die mir gefallen, würde ich eine Dikussion beginnen wollen.

- Hast du schon einmal eine Idee von anderen Bloggern geklaut?
Ich hoffe nicht! Wenn ich etwas aufnehme, tue ich das mit dem Verweis auf den Ursprung. Es sei denn, mir ist nicht bewusst, dass es die Idee eines anderen ist. Vorgeworfen ist es mir bisher nicht. Da kommt die Angst eines Plagiatvorwurfs gleich ins Spiel. Ist der geniale Satz, der mir heute Nacht eingefallen ist, und meinen Roman endlich auf den Punkt bringt, wirklich mein Satz, oder ist es ein fremder, der sich irgendwann in meinem Gehirn verhakt hat?

- Hast du dich schon mal einer Formulierung in einer anderen Rezension bedient, die du gern so ähnlich auch in einem deiner Texte haben wolltest?
Nein. Vielleicht liegt es daran, dass ich noch nicht viele Rezensionen geschrieben habe, aber vielleicht werde ich eines Tages zu einer ganz schlimmen Abschreiberin. 

- Das exotischste Buch in deiner Sammlung ist:
Was ist denn ein exotisches Buch? Eins mit Palmen?
Schlimme exotische (Nein, ich verrate nicht, was schlimm exotisch ist!) Bücher habe ich entsorgt. Dazu zählten u.a. meine Tagebücher, die ich im Alter von 12 Jahren geschrieben habe. Und sonst exotisch? Gilt Romy Haag als Exotin? Ein bisschen sicher immer noch, also gewinnt sie den Preis und darf auf mein Treppchen:
Romy Haag, Eine Frau und mehr


Die erste Runde ist beendet und hat Spaß gemacht. Wer möchte noch - Fragen beantworten oder stellen?
Vielen Dank an die Booknerds!

Sonntag, 27. Dezember 2015

Arbeit und Gedanken 2

Über viele Schriftsteller-innen habe ich gelesen, dass sie beim Gehen und Wandern die besten Ideen entwickeln können - oder konnten, so wie der Universal-Gelehrte, Schriftsteller, Entdecker, Wissenschaftler, ... John Muir (1838 - 1914), der es so ausdrückt:

"Ich ging nur hinaus, um einen Spaziergang zu machen, und entschloss mich schließlich, bis zum Sonnenuntergang draußen zu bleiben, denn ich erkannte, dass ich beim Hinausgehen in Wirklichkeit nach Innen ging."

Interessant finde ich, was Max Frisch (1911 - 1991) in einem Interview mit Horst Bienek über das ICH sagt:

"... Ganz vordergründig gesprochen: Natürlich ist das Erzähler-Ich nie mein privates Ich, ..., aber vielleicht muss man schon Schriftsteller sein, um zu wissen, dass jedes Ich, das sich ausspricht, eine Rolle ist. Immer. Auch im Leben. Auch in diesem Augenblick. ...
Das ist unheimlich. Wer es weiß, hat Mühe zu leben. Wer es nicht weiß, und zum Glück wissen es die Wenigsten, hat keine Wahl, da er seine Erfindung von sich selbst nicht durchschaut, und seine ganze Kraft dient dazu, Vorkomnisse herbeizuführen, die seine Erfindung bestätigen - beispielsweise seine Erfindung, ein Pechvogel zu sein, ..."

Etwas weiter im Interview:

"Was wir in Wahrheit haben, sind Erfahrungen, Erlebnismuster. Nicht nur, indem wir schreiben, auch indem wir leben, erfinden wir Geschichten, die unser Erlebnismuster ausdrücken, die unsere Erfahrung lesbar machen. ...
Der Vorfall, ein und derselbe, dient hundert verschiedenen Erfahrungen."

Marie Luise Kaschnitz (1901 - 1974) spricht über ihre Arbeit ebenfalls in einem Interview mit Horst Bienek.

"Ich glaube, dass niemand ohne eigene Erfahrungen zu verwenden schreiben kann. Es müssen aber nicht immer ausgewachsene Erlebnisse sein. Es können Keime von Erlebnissen sein, auch Keime von Anlagen und Ansichten, die man in sich trägt und die man literarisch entwickelt."

In ihrem Buch 'Wort für Wort' schreibt Elizabeth George (*1949) in ihrer Einleitung:

"Ich glaube seit langem, dass der Schreibprozess aus zwei unterschiedlichen, aber gleich wichtigen Hälften besteht: Die eine hat etwas mit Kunst zu tun, die andere mit handwerklichem Können. Zweifellos kann man Kunst nicht lehren ... Doch es ist lächerlich und kurzsichtig zu glauben, dass man die Grundzüge der Erzählkunst nicht lehren kann."

Mit diesem kleinen Strauß schriftstellerischer Meinungen verabschiede ich mich in die nächste Woche.


Donnerstag, 24. Dezember 2015

Arbeit und Gedanken 1

Während ich bekocht werde, darf ich mich vor meinem Computer vergnügen und überbrücke die Zeit bis zum Essen damit, euch kurze Einblicke in die Arbeit bekannter Autoren zu gewähren.

Harry Mulisch (1927 - 2010) hat es anscheinend mit den Prämissen seiner Werke nicht übertrieben, was beweist, dass die Notwendigkeit einer solchen nicht in Stein gemeißelt ist.
"Und erst, wenn das Ding fertig ist, sagt man: 'Ah, dieser Roman handelt von Schuld und Sühne', oder so etwas." (H. Mulisch)

Und da bin ich schon beim passenden zweiten Zitat von Harry Mulisch:
"Ich denke überhaupt, beim Schreiben ist das Wichtigste, dass man seine eigene Intuition ernst nimmt."

Für ihn stehen die Figuren vor der Handlung, aber das ist eben auch nur eine Möglichkeit der Herangehensweise an einen Text.

Marcel Beyer (*1965) sagt in Zusammenhang mit seinem Roman 'Flughunde':
"Nach vier Jahren Arbeit an dem Roman komme ich erst selber so langsam dahinter: Mir wird klar, dass bestimmte Verhaltensweisen und Erfahrungen - und wie man mit denen umgeht, zum Beispiel mit Reden und Schweigen -, dass das auch durch die Generationen weitergetragen wird. Selbst, wenn ich nicht in dieser Zeit gelebt habe, trage ich doch Spuren davon in mir."

In seinem Roman beschreibt M. Beyer seine Figur Karnau, die an Menschenversuchen beteiligt ist, anfangs aber seriös und harmlos erscheint.
"Aber diese Verdopplung der Person, dass er eben auf der anderen Seite ein ganz normaler Mensch ist, ... das hinzukriegen und das auch beim Schreiben auszuhalten, das war eigentlich das Schwierigste."
Ihn erstaunt am Ende seiner Arbeit die Erkenntnis, dass Menschen, die im Dritten Reich Schreckliches getan haben, diese Tatsache tatsächlich erfolgreich verdrängen oder einfach vergessen.

Pavel Kohout (*1928) macht sich ebenfalls Gedanken über die Ursachen von Verbrechen:
"Das Schreckliche ist doch, dass es immer wieder ganz normale Leute sind, die sich zu soetwas verführen lassen. Die Haut der menschlichen Zivilisation ist offenbar nach wie vor so dünn, dass sie bei der kleinsten Erschütterung zerreißt, und darunter sind dann die schlimmsten Atavismen."

Sarah Kirsch (1935 - 2013) antwortet auf die Frage, ob sie eine 'Dorfschreiberin' sei:
"Nein. Es gibt von Jossif Brodskij, dem russischen Dichter, der in Amerika lebt, ein schönes Wort - in dem er sagt, dass man am ausgefransten Rand der Provinz das Muster des Teppichs am besten erkennen kann."

Die Zitate habe ich dem Buch
'Von Autoren und Büchern - Klaus Bednarz und Gisela Marx im Gespräch mit Schriftstellern', Hoffmann und Campe, 1997
entnommen.

Damit schließe ich und wünsche denen, die Heiligabend und Weihnachten feiern, ein wunderbares Fest, allen anderen ein angenehmes, langes Wochenende!


Donnerstag, 17. Dezember 2015

Schreibgedanken

Einige Schreibanregungen zum Thema der Spiegelungen habe ich inzwischen gesammelt. Vielleicht fällt euch ein Text dazu ein.

- Es gab einen Spiegel hinter dem Spiegel, daran erinnerte sie sich genau.

- Golden war er, verschnörkelt und wahrscheinlich wertvoll, auf jeden Fall aber ungewöhnlich klar.

- Grün-blaues Wasser und dieser Mensch mittendrin.

- Spieglein, Spieglein an der Wand, ...

- Sie seien der Spiegel zur Seele, erzählte man sich.

- Sie erschrak, merkte dann aber, dass sie vor ihrem eigenen Spiegelbild zurückgewichen war.

- Ausgerechnet der Spiegelsaal!

- Sie betrachtete ihr Gesicht im Spiegel. Es stimmte, niemand, auch sie selbst nicht, konnte die Ähnlichkeit leugnen.

- Er stand dicht hinter ihr und legte sein Kinn auf ihre Schulter. Wie eine Kreatur mit zwei Köpfen, dachte sie.

- Ich schaue in den Spiegel und sehe ...

- Merkwürdig, dass sich das Bild im Spiegel so sehr vom Foto unterschied.

- Sie betrachtete sich verstohlen in der Schaufensterscheibe.

- Sie hatte nicht nur Geschirr zerschlagen, auch der Spiegel lag in tausend Scherben vor ihren Füßen.

- Guck dich doch an, bist wie dein Vater!

- Ich betrachte mich im Spiegel der Kinder.

- Die dunkle Fensterscheibe warf ihr Bild wie eine Ohrfeige zurück.

- Im Spiegel der Ereignisse betrachtet, ...

- Der Himmel wiederholt sich auf der Oberfläche des Meeres.

- Er spiegelte sich in ihren Augen.

- Der Karneval ist mein Spiegel. Und deiner auch, da sei dir sicher.

- Natürlich spiegele ich mich in dem, was ich liebe (hasse). Etwas anderes ist gar nicht vorstellbar.


Viel Spaß beim Spiegeln!

Spiegel

Noch immer beim Thema der Spiegelungen bekommt ihr die Gedanken(splitter) zweier Schriftsteller zu lesen. Natürlich geht es auch einfacher. Meine Ideen dazu sind es, aber ein bisschen Futter für unser Hirn schadet sicher nicht.


Ich verfolge mich, ich antworte mir, ich 
spiegele und strahle mich zurück, ich schaudre 
vor der Unendlichkeit der Spiegel - 
ich bin aus Glas.

Paul Valéry, Monsieur Teste, 1925


Manchmal sieht uns am Abend ein Gesicht
Aus dunkler Tiefe an in einem Spiegel:
Die Kunst muss sein wie dieser Spiegel,
Enthüllend uns das eigene Gesicht.

Jorge Luis Borges, Ars poetica

Samstag, 12. Dezember 2015

Autor-in werden

Wer will wissen, wie es geht?
Da bekanntlich viele Wege überall hinführen, hier gleich mehrere Interviews zum Thema:

Wie wird man Autor?
Christoph Gurk interviewt im BR den Schriftsteller Axel Roitzsch, dessen Werdegang er 2014 für einige Monate begleitet hat.

Cornelius Hartz gehört das Blog kapitel eins. Hier interviewt er regelmäßig Autor-innen.

Nur noch im Antiquariat zu kaufen sind die
Werkstattgespräche mit Schriftstellern von Horst Bienek, dtv 1965
und
Von Autoren und Büchern, Klaus Bednarz und Gisela Marx im Gespräch mit Schriftstellern,
Hoffmann und Campe 1997

Horst Bienek interviewt Alfred Andersch, Heinrich Böll, Elias Canetti, Friedrich Dürrenmatt, Max Frisch, Gerd Gaiser, Uwe Johnson, Marie Luise Kaschnitz, Hermann Kesten, Wolfgang Koeppen, Wilhelm Lehmann, Robert Neumann, Hans Erich Nossack, Friedrich Sieburg, Martin Walser, Carl Zuckmayer - eine manchmal recht knorrige Generation, die erlebt hat, was die meisten von uns nur aus Geschichtsbüchern kennen.

Im zweiten Buch sind Gespräche von Klaus Bednarz und Gisela Marx mit verschiedenen Autorinnen und Autoren aufgezeichnet. Entstanden sind sie zur Frankfurter Buchmesse in den Jahren von 1990 bis 1996 bei der Veranstaltung "Literatur im Römer". Die Interviews nehmen Bezug auf das jeweils neue, auf der Messe vorgestellte Buch
Gesprächspartner sind Harry Mulisch, Dietrich Schwanitz, Robert Gernhard, Lew Kopelew, Heiner Müller, Andrzej Szczypiorski, Franca Magnani, Marcel Beyer, Gila Lustiger, Pavel Kohout, Wolf Biermann, Jewgenij Jewtuschenko, Klaus Harprecht, Peter Härtling, Carola Stern, Sarah Kirsch, Leonie Ossowski, Robert Menasse, Colm Tóibín, Eva Demski, Keto von Waberer, Ingrid Noll, Michael Ondaatje, Lars Gustafsson, Katja Lange-Müller, Hans Joachim Schädlich, Thomas Kling, Wolfgang Niedecken, Durs Grünbein, Reinhard Kaiser, Barbara Cowdy, Josef Winkler, Herta Müller, Patrick Roth, Joseph von Westphalen, Tilman Spengler und Peter Rühmkorf.

Montag, 7. Dezember 2015

Themen vertiefen

... könnt ihr beispielsweise mit dem Automatischen Schreiben.

Dafür stellt ihr euch einen Wecker auf zehn Minuten oder beauftragt einen Zeitwächter, also jemanden, der gerade nichts besseres zu tun hat, als darauf zu achten, dass ihr zehn Minuten lang schreibt.
Das tut ihr auf einem weißen Blatt Papier, ohne Pause zu machen. Wenn euch nichts einfällt, schreibt ihr trotzdem, und wenn es der Satz 'Mir fällt nichts ein.' ist.
Habt ihr vorher ein Thema gefunden, wird es euch nicht schwerfallen, das Blatt zu füllen. Vielleicht war es aber auch das verkehrte, dann nehmt ihr beim nächsten Mal ein anderes.

Dieses Blatt Papier muss niemand zu Gesicht bekommen. Ihr könnt also drauflosschreiben, ohne euch mit Grammatik, Rechtsschreibung oder Anstand zu belasten. Es gibt niemanden, der euch zensiert! Und auch ihr selbst solltet das nicht tun, sondern sehen, was ihr von den Wörtern und Sätzen gebrauchen könnt.

Wenn ihr euch bereits Gedanken zu den Spiegelungen macht, die Thema des
Januar-Schreibkurses sind, bietet sich hiermit die Gelegenheit, ein Stück in die Tiefe zu gehen.

Viel Spaß dabei!

Samstag, 5. Dezember 2015

Themen finden ...

... und sie einzugrenzen funktioniert mit verschiedenen Techniken.

Ich stelle euch das Clustern vor:

In die Mitte eines großen, unlinierten Blattes schreibt ihr ein Thema, eine Frage oder einen Satz, der euch beschäftigt. Diesen Text kreist ihr ein.
Ohne Pause zu machen und nachzudenken oder eure Ideen zu bewerten, schreibt ihr alle Begriffe, die euch zum ersten einfallen, drumherum und kreist sie ebenfalls ein. Dabei verbindet ihr das, was eurer Meinung nach eng beieinander liegt, mit einer Linie.
Nach etwa einer viertel Stunde seid ihr wahrscheinlich 'ausgeschrieben'.

Jetzt habt ihr eine Sammlung an Wörtern, von denen ihr einige verwerfen und andere gebrauchen könnt, um an eurem Text weiterzuarbeiten oder mit einem zu beginnen.
Wenn ihr trotzdem nicht weiterkommt, könnt ihr ein weiteres Cluster mit einem euch wichtig erscheinenden Begriff aus eurem ersten erstellen.

Manchmal braucht man etwas Übung, um in diese Methode hineinzufinden. Sollte es nicht gleich funktionieren, probiert es ruhig einige Male aus, bevor ihr diese Arbeitsweise verwerft.
Möglich ist, dass ihr euch zu sehr konzentriert. Das soll gerade nicht sein. Die Gedanken müssen fließen dürfen, und es ist völlig gleichgültig, ob euch eure Ideen albern und abwegig erscheinen. Das, was ihr nicht gebrauchen wollt, streicht ihr eben hinterher.





Das ist kein Original-Cluster der Grimms, aber so könnte es gewesen sein. Ich weiß nur nicht, ob die Gebrüder mit dieser Methode gearbeitet haben.

Wenn ihr tiefer ins Geheimnis des Clusterns einstiegen möchtet, könnt ihr das  hier
http://www.berlinerzimmer.de/heins/heins_cluster.htm

oder im Buch von Gabriele L. Rico, Garantiert schreiben lernen.

Freitag, 4. Dezember 2015

Verantwortung

Ausgesprochen ...
angeregt habe ich mich mit einer Freundin über unsere gerade erwachsenen Kinder unterhalten.
Wie in vielen Haushalten haben und hatten auch wir Schwierigkeiten, unsere Kinder dazu zu bewegen, abgesprochene Aufgaben möglichst bald, wenn überhaupt und ohne Murren zu erledigen.

Während des Gesprächs habe ich mich an meine eigenes Genervtsein in der Teenie-Zeit erinnert. Ewig wollte irgend jemand Dinge von mir, die unwichtig, überflüssig, anstrengend waren - in meinen Augen ganz bestimmt. Mir fehlten die Bezüge zu meinem Leben, und mit 'Bezug' meine ich nicht das Putzen eines gemeinsamen Haushalts, nicht einmal die Reinigung des eigenen Zimmers, es sei denn, wichtiger Besuch war angemeldet. Für mich wichtige Gäste wohlgemerkt!

Woran liegt es, dass junge Menschen scheinbar unsozial ausschließlich eigenen, für Erwachsene nicht nachvollziebaren Interessen nachgehen?
Unter anderem liegt das Geheimnis in der Baustelle Gehirn. Dort verzweigen sich Nervenzellen, bilden sich neue Verbindungen, während andere nicht mehr brauchbar sind und verkümmern. Ein bisschen Chaos im Kopf ist Auslöser für ungewöhnliches Verhalten.
Die Müdigkeit hängt nicht am Unwillen der Kinder, früh genug ins Bett zu gehen, sondern  am Hormon Melatonin.
Im Präfrontalhirn werden eine Weile geordnete Entscheidungen boykottiert und das Erkennen von Gefühlen anderer Menschen schrumpft um 20 %.
Die Gefahr von Unfällen ist bei jungen Menschen enorm hoch, weil sie Risiken nicht einschätzen können oder extrem emotional und damit unaufmerksam handeln.
Das Gehirn bildet sich bis zum 25. Lebensjahr um. Zumindest wenn immer noch stimmt, was ich vor vielen Jahren gelesen habe in
GEO WISSEN Nr. 41 - Pubertät.

Und wenn wir es wagen, uns zu erinnern ... oh je! Zuckersüß waren wir sicher nicht. Immerhin halten wir uns mittlerweile für (meistens) soziale und verantwortungsbewusste Wesen - vor allem, seit wir Kinder oder andere wichtige Aufgaben haben.

Seid also lieb zu euren Kindern, sie können (fast) nichts dafür - für ihre Eltern schon mal gar nicht.

Dienstag, 1. Dezember 2015

Januar-Schreibkurs

Zum Kurs am 29. und 30. Januar 2016 hier ein paar zusätzliche Informationen, die vor allem das Buch betreffen, das entstehen kann.

Sollten sich nicht genügend Teilnehmer finden bzw. weniger Beiträge druckfertig werden, als wir für ein kleines Buch benötigen, würden wir gern in weiteren Kursen - mit euch oder anderen Teilnehmern - Geschichten dafür sammeln. Innerhalb der nächsten Monate kann sich so eine Gemeinschaftsarbeit entwickeln, die ein für alle befriedigendes Ergebnis hervorbringt.

Um euch einzustimmen, stellen wir das Thema des Wochenendes schon einmal vor:
Wir möchten den Begriff Spiegelungen auf möglichst vielfältige Weise beleuchten, beschreiben, umspinnen. Wer Lust dazu hat, kann bereits einen oder mehrere Texte vorbereiten.
Sollte nach dem Kurs weiterer Bedarf an Überarbeitungen bestehen, begleite ich euch außerhalb des Kurses noch ein Stück des Weges, denn ein Text muss meistens redigiert werden, um eine ansprechende und funktionierende Form zu finden.

Jana Hoffhenke und ich besprechen im Kurs die Grundlagen der Kurzgeschichte und feilen mit euch zusammen an den Texten. Dabei helfen die Rückmeldungen aller Teilnehmer.
In welchem Genre ihr schreibt, ist völlig unerheblich. Von der Liebesgeschichte über Krimi, Texte für Kinder und Autobiografisches - alles kann sein, auch, sich keinem Genre zuordnen zu wollen oder zu können.

Hier noch einmal Ort und Datum des Kurses:

'Fischers'    
Friedrich-Karl-Str. 101
28211 Bremen

Wir treffen uns am
Freitag, den 29. Januar 2016 von 18.00 Uhr bis 21.00 Uhr und am
Sonnabend, den 30. Januar von 12.00 Uhr bis 18.00 Uhr.

So ein fabelhafter Kurs ist doch eine grandiose Weihnachtsgeschenk-Idee, oder?


In den nächsten Blogbeiträgen bekommt ihr ein paar Tipps zur Ideenfindung.

Bis dahin liebe Grüße!

Sonntag, 29. November 2015

geschenkt

Aus aktuellem Anlass denke ich über Geschenke nach, Geschenke zum Geburtstag beispielsweise. Solche, die mir selbst gefallen, die aber hauptsächlich den Beschenkten zu Luftsprüngen veranlassen sollen. Natürlich fallen mir zuerst Bücher ein. Dabei habe ich nicht viele Leser-innen in meinem Beschenkt-werden-wollen-und-sollen-Kreis. Passt da trotzdem etwas?

Lustig und auch geeignet für Menschen, die wenig lesen:

Lars Ruppel: Holger, die Waldfee - Zehn Gedichte über Redensarten
mit Illustrationen von Eyke-Sören Röhrs
Satyr Verlag, 2014

Ein Vorgeschmack vom Autor selbst: larsruppel.de/?p=625


Ein kleiner, feiner Band mit vier Erzählungen:

Jutta Reichelt: Es wäre schön
Logbuch Verlag, 2014

Hier geht es zur Vorschau: juttareichelt.com/neu-es-ware-schon/


Und dazu Musik von

THE BLUES SHOP TRIO
mit Andreas Cordes, Toby Pluta und Ralf Stahn

Zum Reinhören bitte hier entlang: bluesshoptrio.jimdo.com/music-videos/

Ich freue mich über weitere Ideen!


Freitag, 27. November 2015

Christof Zirkel

Als ich zum ersten Mal auf der Seite von Christof Zirkel gelandet bin, hat mich gleich der erste Eintrag irritiert und geärgert.

"Leider wird dieser Blog hiermit geschlossen. In der Folge eines Herzinfarkts bin ich am 
11. September 2012 gestorben. ..."

So ein makabrer Scherz, habe ich gedacht und versucht, herauszubekommen, wer mich derart auf den Arm nehmen will. Schnell wurde mir klar, dass Christof Zirkel tasächlich nicht mehr lebt. Seinen Blog dagegen hat er uns überlassen - lebendig und aktuell.
Hier könnt ihr Stunden herumstromern, Schreibanregungen aufgreifen, etwas über eure Muse erfahren oder nachlesen, wie ihr eine Schreibgruppe leiten könnt. Ihr findet einen unerschöpflichen Fundus an Ideen. Unerschöpflich nicht, weil Christof Zirkel alles geschrieben hat, was es mitzuteilen gibt, sondern weil er dazu anregt weiterzudenken, Neues zu entwickeln.

Lasst euch inspirieren! schreibschrift.wordpress.com

Montag, 23. November 2015

Heimat

Immer schon ein Thema in mir und um mich herum, ewig, seit ich denken kann. Und vielleicht schon davor.

Ein Thema, das gerade überstrapaziert wird?
Trotzdem ist es da.

Was ist Heimat?
Angeregt durch zwei Reportagen, Blogbeiträge und Bücher möchte ich mir HEIMAT genauer ansehen, Geschichten dazu schreiben. Dabei ist klar, dass es eine beinahe unendliche Reihe von Texten gibt, die sich mit diesem Begriff sehr unterschiedlich und seit Jahrhunderten beschäftigen.
Dann lasst uns diese Reihe mal erweitern!

Hier ein paar passenden Links zum Einstimmen:

www.ndr.de/fernsehen/epg/import/Friedland,sendung421236.html

daserste.ndr.de/beckmann/sendungen/Neue-Heimat-Einwanderer-in-Deutschland,neueheimat104.html

juttareichelt.com/category/versuche-uber-heimat/

www.blaumeier.de/de/shop/?we_objektID=  "Heimat - Ein Fotografiebuch" als Projekt des Bremer Blaumeier-Atelier.


Das Gefühl sei nicht vermittelbar, sagt Senta Berger in einem Beitrag der ARD-Themenwoche vom 4.-10. Oktober 2015 und beschreibt die Geräusche, Gerüche und ein bestimmtes Licht, das sie mit ihrer Vorstellung von Heimat verbindet.
Sunnyi Melles Eltern sind im Zweiten Weltkrieg emigriert. Für sie ist Heimat mit dem Ort verbunden, an dem die Familie zusammen ist. Eine gemeinsame Sprache gehört für sie ebenso zum Heimatgefühl.
Ein Syrer in einem Beitrag bei Beckmann sagt, Heimat sei da, wo er in Ruhe leben könne, wo er akzeptiert werde und seine Kinder eine Zukunft hätten.

Was ist Heimat für euch?
Ich freue mich über Texte - große, kleine oder weitere Links zum Thema.

Samstag, 21. November 2015

Kreatives Tun - was ist das denn?

Es handelt sich lediglich um eine der vielen Moden, die kommen und gehen.
Früher hatten die Menschen keine Zeit für so etwas, da musste gearbeitet werden.
Warum glaubt eigentlich jede Frau und jeder Mann, kreativ sein zu müssen?
Sind es nicht Selbstverliebtheit und Überschätzung, die dich treiben?
Und du glaubst, gut genug zu sein, um damit Geld zu verdienen?

Das sind Sätze, die sicher nicht nur mir in den Ohren klingen. Darum fällt es auch schwer, hinter der  eigenen Idee zu stehen und zu sagen: Ja, ich male, schreibe, schlage Skulpturen aus Stein, spiele ein Instrument, interessiere mich für den Zusammenhang der Dinge und mache das so intensiv, dass ich es zu meinem (zweiten) Beruf erkläre. Oder dass ich zumindest einen Großteil meiner Kraft daraus beziehe und dafür einsetze.

Was ist denn nun Kreativität?
Nichts Schlimmes, sondern etwas Uraltes, immer Dagewesenes, ohne das es nie einen Fortschritt gegeben hätte.
Es ist schöpferisches Tun, Neues entdecken und das auch im Alten. Kreative Menschen finden andere Formen für etwas, das schon da ist.
Jedes Kind ist kreativ, jeder Mensch, dem es nicht aberzogen wurde.
Kreativität geht mit Neugier einher, sucht Zusammenhänge, neue Perspektiven.
Kreativ zu sein bedeutet, in Spannungsfeldern zu leben, Grenzen zu überschreiten und seiner Freude am Gestalten und Verändern Ausdruck zu verleihen.
Der kreative Mensch ist aktiv, lässt aber auch passiv geschehen, sieht, hört, riecht, tastet, schmeckt vielleicht ein bisschen intensiver.
Schöpfung bringt Ordnung ins Chaos und wirbelt Ordnung durcheinander.
Gewohnte Wege werden verlassen, neue entwickelt.
Ideen laufen, finden einen Weg - durch Ausdauer und Mut.

Kreativität ist Suche, Einsatz, Erfüllung.

Allen ein kreatives oder einfach gemütliches Wochenende.



Donnerstag, 19. November 2015

Neues Jahr - neuer Kurs

Es ist soweit!
Die Verlegerin Jana Hoffhenke und ich werden am 29./30. Januar 2016 einen gemeinsamen Schreibkurs anbieten.
Wir möchten mit euch zusammen Kurzgeschichten oder andere kleine Texte erstellen und sie in einem Buch über Janas Verlag veröffentlichen.

Das heißt, es gibt ein Buch mit ISBN und euren Geschichten, wenn ihr das möchtet.
Sollte jemand seine Geschichte nicht öffentlich machen wollen, ist das selbstverständlich auch in Ordnung.

Wir schreiben Texte, sprechen darüber, bearbeiten sie.
Ihr bekommt einen kleinen Einblick in die Verlagsarbeit, lernt, eine Geschichte zu überarbeiten und habt zum Schluss ein eigenes Buch in der Hand.

Wenn wir euer Interesse geweckt haben, meldet euch an:

s.meywerk@web.de
oder schreibt mir eine Nachricht auf dieses Blog.
(Ich bin ja immer versucht, 'der Blog' zu sagen und zu schreiben, aber tatsächlich ist es ein sächliches Hauptwort. Oder hat sich das inzwischen geändert?)


Der Kurs findet statt:

Sonnabend, 29. Januar 2016  um 18.00 - 21.00 Uhr,
Sonntag, 30. Januar 2016 um 12.00 - 18.00 Uhr    
bei
'Fischers'
Friedrich-Karl-Str. 101
28211 Bremen 

Die Kosten für den Kurs betragen 100,- Euro.

Parkplätze gibt es vor dem Haus und drumherum.
Wenn ihr mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs seid, könnt ihr die
Busse der Linien 22, 24 und 25 nutzen oder die
Straßenbahnlinien 1, 2 und 10.

Wir freuen uns über eure Teilnahme!

Samstag, 14. November 2015

Was wäre, wenn ...

... es auf der Erde friedlich zuginge? Sie wäre wohl ein Paradies.

Frankreich , besonders Paris, scheint sich ins Gegenteil zu entwickeln. Genauso wie Syrien und alle anderen Konflikt- und Kriegsgebiete.
Ich stehe fassungslos und hilflos vor dieser Welle der Gewalt. Ist der Krieg in Europa endgültig angekommen? Oder war er nie vorbei?

WER VERDIENT WIEVIEL AM KRIEG?

Hilflosigkeit ist eines der unangenehmsten Zustände. Aber auch Wut gehört in die Ecke der Gefühle, die mir nicht gefallen und die auf dem Boden der Hilflosigkeit wächst. Beide kenne ich selbstverständlich.
Doch weder der einen noch der anderen werde ich besonderen Raum einräumen, denn sie behindern meine Sicht auf die Dinge. Ich werde mich weiter für die Menschen stark machen, die nach Europa flüchten und will denen entgegentreten, die die Pariser Anschläge als willkommenen Anlass sehen, zu hetzen.

WELCHE GESICHTER UND NAMEN STECKEN HINTER DEM TOD?

Ich erinnere mich noch sehr gut an die Vorwürfe, die sich Eltern und Großeltern anhören mussten. Die Frage meiner Generation "Warum habt ihr nichts dagegen getan?" leuchtet wie ein Neonschild vor den jetzigen Ereignissen. Und auch, wenn es manchmal schwierig erscheint und aussieht, als müsse man gegen Windmühlenflügel kämpfen, gibt es überall Möglichkeiten, auf Grundlage der Menschenrechte zu helfen, seine Meinung denen entgegenzustellen, die diese Rechte ignorieren.
Dazu gehören die Attentäter. Dazu gehören die, die sich gegen die Aufnahme flüchtender Menschen aussprechen.

Ich möchte die Kinder, Frauen und Männer, die in Europa Schutz vor Folter, Zerstörung, bitterer Armut und Tod suchen, kennenlernen und mit ihnen zusammenleben.
Ich möchte nicht, dass weiter Waffen in Länder geliefert werden, die bereit sind, für immer mehr Macht Leben und Lebensraum zu zerstören.
Auch wenn hier nie ein Paradies entstehen wird, wünsche ich mir eine Welt mit sehr viel weniger Gewalt und werde dazu, so viel mir möglich ist, beitragen.

WEM NÜTZT EIN KRIEG? UND WARUM?

Sonntag, 1. November 2015

Schreibkurse 2016

Eine kleine Ankündigung mit der Bitte, mir eure Wünsche mitzuteilen.

Einige Schreibkurs-Interessenten haben mich darum gebeten, auch am Wochenende Kurse anzubieten. Ab Januar kann ich mir vorstellen, an einem Freitag von 18.00 - 21.00 Uhr und am anschließenden Sonnabend von 12.00 - 18.00 Uhr in der Friedrich-Karl-Straße bei "Fischers" wilde Geschichten mit euch zu erfinden. Ich weiß noch nicht, an welchen Wochenenden uns die Räume zur Verfügung stehen, erkundige mich und gebe die Termine hier bekannt.

Wenn es schon Wunschwochenenden gibt, meldet euch bei mir. Das kann auch gern schon für Februar, März und weitere Monate sein.

Ziemlich sicher ist, dass Jana Hoffhenke, die Verlegerin des Burgenwelt Verlags in Bremen, sich an einem Kurs oder mehreren beteiligt. Wir können mit ihr gemeinsam ein Buch mit Kurzgeschichten gestalten, das dann in ihrem Verlag veröffentlicht wird.

www.burgenweltverlag.de
www.facebook.de/burgenweltverlag

Ein Wochenendkurs kostet 100,-Euro. Kaffee, Tee, Wasser und ein bisschen Nervennahrung gibt es dazu.

Wenn ihr andere Räume bzw. Stadtteile bevorzugt, meldet euch bei mir.

Ich weiß, dass nicht jede-r Kommentare in das Blog schreiben kann, deshalb hier noch einmal meine Mailadresse: s.meywerk@web.de

Einen sonnigen Wochenanfang

Sylvia

Müttererbe



Ria Neumann

Müttererbe - Erzählung

Donat Verlag, 2012













Das Buch beginnt mit einem Segelflug, einem Bild der Freiheit. Mara fliegt.
Doch dann dreht sich das Bild und aus Freiheit wird Dunkelheit.
Die Ich- Erzählerin und beste Freundin Maras betrachtet sie und ihre Mutter Gerine aus dem Blickwinkel einer Frau, die ihre eigene Mutter früh verloren hat und kinderlos geblieben ist.

Im Riesengebirge wird Gerine vor dem zweiten Weltkrieg geboren. Als sie fünfzehn ist, beschließt ihre Mutter, sie nach Prag in ein Kloster zu schicken. Sie sei jetzt alt genug, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen. Der zweite Weltkrieg hat begonnen und Gerine lernt einen deutschen Offizier kennen, der bald wieder an die Front muss, nicht weiß, dass Gerine schwanger ist. Die Identität des Vaters bleibt ihr Geheimnis.
Das Kind, Margarete, das sich später selbst Mara nennt, ist ungewollt und ungeliebt. Gerine gibt es zu ihrer Tante und kümmert sich nicht mehr. Bis die Tante wenige Jahre später zu alt ist.
Im Stakkato der Gedanken stößt die Geschichte vor, erzählt von Trostlosigkeit und Wut, Angst vor dem Kriegsgeschehen, einer Flucht nach Deutschland und dem Nieankommen. Nirgendwo.

Das klebrige Netz zwischen Mutter und Tochter bildet den Kern der Erzählung. Voller Hass und doch krankhaft abhängig voneinander, machen sich Gerine und Mara das Leben zur Hölle. Die ungeliebte Tochter kann weder gehen, noch sich auf die Liebe zu einem anderen Menschen einlassen.
Meistens im Hintergrund, versucht die Erzählerin zu vermitteln, zu begreifen. Sie sehnt sich nach Harmonie zwischen Mutter und Tochter, sehnt sich nach einer eigenen Geschichte.
Ein Mann, der an Maras Seite auftaucht, ist über Jahre Beiwerk, weniger wichtig als die Katze, der körperliche Nähe maßlos gestattet wird.

Zum Schluss überstürzen sich die Ereignisse, Geheimnisse werden gelüftet, und wäre das alles rechtzeitig geschehen, hätte das Ende ein anderes sein können. Vielleicht.


Ein eindrücklich geschriebenes Buch, das mich die Frauen spüren und sehen lässt, auch die Erzählerin, die nur durch ihre Sicht der Dinge beschrieben wird.
So wenig nah Gerine und Mara sich selbst kommen, so sehr bedrängen sie mich in ihrer Not.
Auch die Erzählerin wird immer wieder dazu verführt, sich Gedanken zu machen, den aus der Spur geratenen Alltag von Freundin und Mutter mitzuleben. Sie beherrschen ihre Umgebung und für eine Zeit auch mich.
Während des Lesens und zwischen Fassungslosigkeit und Wut blitzte immer wieder Verstehen und  Empathie.
'Müttererbe' ist nach einmaliger Lektüre nicht ausgelesen. Ich werde es sicher noch einmal in die Hand nehmen und von vorn beginnen.


Ria Neumann wurde 1941 in Lemwerder geboren und lebt jetzt in Osterholz-Scharmbeck.
Weitere Bücher:

Schwarze Johannisbeeren - Erzählung      Verlag DER NEUE, Delmenhorst, 1998
Glücklos und Niete - Novelle                     Verlag DER NEUE, Delmenhorst, 1998
Die Lücke - Erzählung                              Donat Verlag, Bremen, 2004
Tote Winkel - Kurzgeschichten                  Donat Verlag, Bremen, 2007
Tunnelblick - Roman                                 Donat Verlag, Bremen, 2009

Für das Manuskript 'Schwarze Johannisbeeren' erhielt die Autorin 1996 das Autorenstipendium des Bremer Senators für Wissenschaft, Kultur und Sport.
Im Jahr 2005 bekam sie für die Kurzgeschichte 'Meines Vaters Ringelrosen' (im Band 'Tote Winkel' enthalten) den 'Irseer Pegasus' der Schwabenakademie Irsee.

Mittwoch, 28. Oktober 2015

Da ist noch Platz!

Foto: Frank Bol - Korsika

Für meinem Schreibkurs "neue Türen öffnen" ist noch Platz für 3 Teilnehmer.

Manufaktur am Benqueplatz
Benquestr. 64/Ecke Wachmannstraße
28209 Bremen

Wir beginnen am Mittwoch, den 11. November um 19.00 Uhr in den Räumen der Manufaktur.

Weitere Termine, jeweils um 19.00 Uhr:
Mittwoch, 25. November 2015
Mittwoch,  9. Dezember 2015
Mittwoch,   6. Januar 2016
Mittwoch, 20. Januar 2016

Anmelden könnt ihr euch in der Manufaktur: manufakturambenqueplatz.blogspot.com
                                                                manufakturambenqueplatz@gmail.com
bei Barbara Mildner                                    0172-4194541

hier auf dem Blog oder über eine Mail an mich: s.meywerk@web.de bzw. einen Anruf.
Telefonnummer:                                             0421-7940176


Mehr zum Kurs erfahrt ihr hier auf meinem Blog, wenn ihr bei den Labels das Stichwort Schreibkurs anklickt.

Ich freue mich über interessierte Anfänger und auch Vielschreiber.

Herzliche Grüße
Sylvia

Dienstag, 27. Oktober 2015

Blogparade Fluchtgeschichten

Auf der Seite  blog.litmuc.net/2015/10/19/blogparadefluchtgeschichten bekommt ihr Informationen zum Literaturfest München 2015 - Blogparade Fluchtgeschichten.

Und hier ist mein Beitrag:


Das weiße Tuch

Fast schon zu alt, um noch aufgeregt zu sein. Beinahe alle Situationen schon gemeistert. Und jetzt doch noch einmal der Schritt über eine neue Grenze, wenn auch zögernd. Doch sie wollte ihre Pflicht erfüllen, als Gemeindemitglied, als mitfühlender Mensch.
Was soll schon sein in einem Land voller Netze und doppelter Böden, dachte sie. Und dann war ihr, als bewege sich der Boden im Halbdunkel ihres engen Flurs. Ein strenger Blick in den Spiegel und ihre Hände waren wieder vollkommen ruhig, als sie den ersten der fünf dicken violetten Knöpfe durch das umsäumte Knopfloch schob, das Tuch um den Hals schlug und verknotete, den Hut mit fliederfarbenem Band auf die kurzen Locken drückte. Schade, sie wären nachher nicht mehr tuffig und weich, eher zerdrückt, vielleicht sogar etwas verklebt vom Schweiß, denn eigentlich war es zu warm für einen Hut. 18°C bestimmt. Frühling eben. Aber der Hut war neu, hatte nur 12,- Euro gekostet, weil die Kälte vorbei war und niemand ihn mehr wollte. Da hatte sie Anfang des Monats und übermütig zugeschlagen. Wie eine Katze, der ein Spatz direkt vor der Nase herumflattert.

Sie hätte zuerst die Schuhe binden sollen. Jetzt saß sie im Mantel - auch er war zu warm - auf ihrem Stuhl im Flur und mühte sich mit den Schnürsenkeln.
»Verdammt«, sagte sie leise. Alles war plötzlich im Weg, der Wollstoff des Mantels, das Tuch, dessen Zipfel ihr die Sicht auf die Füße versperrte, die Hutkrempe, die ihr in die Stirn gerutscht war. Ihr Herz klopfte. Vor Anstrengung. Oder war sie doch ein wenig aufgeregt? Wegen dieser Grenze?
Im Halbschatten des Spiegels sah sie ihr Gesicht, gerötet, etwas aufgequollen, vielleicht von dem Blut, das ihr gerade beim Bücken in den Kopf geschossen war. Immerhin, dann war sie ja noch quicklebendig. Sie lächelte, nur zur Probe, griff nach den Henkeln ihrer braunen Handtasche, knipste noch einmal den fleckig-silbernen Verschluss auf und tastete nach Taschentüchern, Brillenetui und Terminkalender. Der war neu und hatte einen Umschlag, der dem Leder einer teuren Aktentasche zum Verwechseln ähnlich sah. Der Aktentasche ihres jungen Nachbarn, der jeden Morgen mit einem schwarzen, teuer aussehenden Auto davonraste und immer erst nach acht Uhr abends zurückkehrte. Zu seiner Frau, die in der Zwischenzeit mindestens zehnmal die beiden Kinder angeschrien hatte. Aber die Tasche war schick und alles andere ging sie nichts an.
Nie zuvor hatte sie einen Terminkalender gebraucht. Ihr Gedächtnis hatte für sie allein hervorragend funktioniert. Doch jetzt hatte sie vielleicht bald eine Verantwortung und dafür, fand sie, brauchte sie einen Kalender. Um die Dinge, die bald in ihr Leben treten könnten und von Wichtigkeit waren, zu notieren.
Der Schlüssel rutschte ins Schloss. Sie drehte zweimal, rüttelte an der Klinke, verstaute den Schlüssel in einem weinroten Kunststoffetui und legte es in die Handtasche neben das Paket weißer Taschentücher. Normalerweise benutzte sie welche aus Stoff, gebügelt, gefaltet mit Blumen und Monogramm, sonntags mit gehäkelter Spitze. Heute hatte sie sich für Papier entschieden. Man wusste ja nie.
Sie lief die Treppe hinunter und war stolz über ihre nicht nachlassende Schnelligkeit. Bummelei mochte sie nicht, noch nie. Oder doch schon einmal, aber das zählte nicht, weil sie ein Kind gewesen war.
Ein Kind! Erschrocken hielt sie inne. Wenn sie ihr nun ein Kind gaben? Ein Blick auf die Uhr trieb sie weiter. Der Bus wartete nicht, auch nicht auf Damen kurz vor dem Altwerden.
Was sollte sie mit einem Kind tun, was mit ihm reden? Sie schnaufte, als sie an der Haltestelle ankam und versuchte, sich an ihre Kindheit zu erinnern. Die zehn Minuten, die sie im Häuschen auf der Bank wartete, die zwanzig Minuten, in denen sie sich rechts hinter dem Busfahrer an die Metallstange klammerte, um in den Kurven nicht von ihrem Sitzplatz geschleudert zu werden.

»Schön, dass Sie sich bereiterklären.« Die Frau rannte vor ihr her über einen schmalen Flur, eingerahmt von grünen Fliesen unter Neonröhrenlicht. Durch die Kälte.
Sie tastete sich an dem Grün entlang, ohne sich an diese Farbe erinnern zu können. Auch die Röhren mussten neu sein. Nur die Kälte war gleich.
»Wo sind denn die Leute alle?«
»Einige werden auf ihren Zimmern sein oder in der Stadt unterwegs. Die meisten sind aber auf einer Veranstaltung am Flussufer. Sie wissen doch, das Fest, das von der Organisation veranstaltet wird. Davon haben Sie sicher gehört.«
»Ja natürlich«, schwindelte sie und senkte den Kopf.
»Vielleicht gucken Sie sich erst einmal um und entscheiden später, ob Sie sich eher um ein Kind kümmern möchten oder um eine der jungen Mütter. Wie auch immer, wenn Sie Fragen haben, ...«
Als sie sich nach der Frau umdrehte, hatte der Flur sie längst wieder verschluckt.
Es war stickig im Raum. Trotz all der Kälte. Die schmalen Luken verweigerten jegliches Licht, das Freundlichkeit hätte verbreiten können. Sie nestelte an den dicken Knöpfen, zerrte den Schal vom Hals, riss den Hut herunter und fuhr sich durch das feuchte Haar. Ein Blick in die Glastür des Küchenbuffets bestätigte ihre Vermutung: Die zerdrückten Locken duckten sich auf ihrer Kopfhaut. Ihr Herz hämmerte, schmerzhaft und bis hinter die Stirn. Raus hier, dachte sie, raus aus diesem Loch, zurück an die frische Luft, sonst drehe ich durch!
»Hallo.«
Sie fuhr herum. Am Tisch saß ein Mann mit dunkler Haut, die Finger um ein Glas Tee geflochten.
»Was wollen Sie?« Warum war sie unfreundlich zu dem Fremden? Hier war sein Zuhause, nicht ihres. Am liebsten wäre sie davongelaufen, aber was würde der Mann dann denken? Dass sie sich fürchtete? Vielleicht vor der Fremdheit in ihm?
Er sah sie an, ein wenig erschrocken, dann nickte er ihr zu.
Sie sah auf ihren Mantel hinunter, den Hut, dessen Krempe sie ein wenig zerdrückt hatte, den Schal, der mit einem Ende auf dem Boden schleifte, als sie ein Stück zurückwich. »Immer war es kalt«, sagte sie und wusste die Tür hinter sich. Was erzählte sie da? Diese dummen, alten Geschichten wollte niemand hören. Noch nie wollte die jemand hören, am wenigsten sie selbst.
»Die Gemeinschaftsküche.« Ihr Blick wanderte. »Es ist lange her. Ich war noch ein Kind.« Was war nur in sie gefahren, dass sie so viel redete? Ihr rechter Fuß scharrte über die Fliesen. »Früher war hier Steinboden, der nackte Beton.«
Er nickte und schob den Stuhl neben sich zurück, aber sie schüttelte den Kopf. Der Mann verstand ja nichts, weder ihre Sprache noch das, was sie erlebt hatte, nach der Flucht. Und vorher und währenddessen. Obwohl er vielleicht Ähnliches durchlitten hatte, sonst säße er nicht hier.
Sie öffnete den angelaufenen Verschluss ihrer Tasche, tastete nach dem Paket mit den Tüchern, knetete es zwischen den Fingern, drückte es, bis die Hand schmerzte.
Der Mann schob seinen Stuhl zurück, holte ein Glas aus dem Buffet, schenkte aus einem Samowar dampfenden, dunklen Tee ein und goss kochendes Wasser dazu. Zögernd kam sie näher. Was sollte schon passieren?
»Ich hab‘ sie ja im Griff, diese alten Geschichten«, sagte sie, lächelte den Mann an und setzte sich auf die Kante des Stuhls. Als er ihr Mantel, Hut und Schal abnehmen wollte, schüttelte sie den Kopf, ordnete die Sachen auf ihrem Schoß, und er setzte sich wieder.
Erneut versuchte sie ein Lächeln, doch ein altes Zittern zog ihre Mundwinkel zum Kinn. Wo waren die Taschentücher? Nie waren welche da. Das war schon früher so gewesen, als sie noch gebummelt hatte und die Mutter sie ziehen musste, während es hinter ihnen krachte und blitzte und sie sich immer wieder mit dem Ärmel über die Augen wischen musste, um etwas sehen zu können.

Seine Hand weit neben ihrer malte Kreise auf die gelbe Kunststoffbeschichtung des Tisches, der früher braun und aus Holz gewesen war. Hier an dieser Stelle, an dem anderen Tisch hatten sie gesessen, Tag für Tag. Anfangs hatte die Mutter viel geweint, später nicht einmal mehr das. Diese Stille war unheimlich gewesen. Rundherum das Lachen und Reden, manchmal Geschrei, nur zwischen ihnen waren die Worte an irgendeiner Stelle steckengeblieben. Im Hals, im Brustkorb, so wie jetzt. Sie rang nach Luft und ein Krächzen entschlüpfte ihr.
Der Mann schob ein Taschentuch über die Tischplatte, eines aus weißem Baumwollstoff.
»Wie ein Film ist das. Als würde alles von vorn anfangen«, sagte sie und kannte ihre Stimme nicht.
Der Löffel klimperte zu laut gegen das Glas. Sie sah auf die rotierende dursichtig-braune Flüssigkeit und rührte weiter, rührte und rührte. Aus den Augenwinkeln sah sie, dass er trank. In kleinen Schlucken. In ihrem Hals steckte noch immer etwas. Wie das Stück Apfel im Märchen, dachte sie und ihr Stuhl kratzte über die Fliesen.
An der Tür drehte sie sich um. »Auf Wiedersehen.«
»Das würde mich freuen.«
Sie trat auf einen Zipfel ihres Tuchs. »Sie sprechen Deutsch?«
»Ja. Ich bin hier geboren.«
Ihr Blick durchmaß das Zimmer, doch er schüttelte den Kopf. »Nicht in diesem Haus, in Deutschland meine ich.«
»Was tun Sie hier?«
»Ich biete meine Hilfe an, übersetze, kümmere mich um Anträge, die Wohnungssuche.«
»Sie übersetzen eine afrikanische Sprache.«
Er lachte. »Nein. Ich kann nur englisch und ein bisschen französisch.«
»Entschuldigen Sie.«
»Was soll ich entschuldigen? Dass Sie mich für einen Flüchtling gehalten haben?«
»Nein. Ich weiß nicht.« Sie hielt sein Taschentuch in die Höhe. »Ich bringe es zurück. Nächste Woche.«
Er nickte und sie öffnete die Tür.

Samstag, 24. Oktober 2015

Aufbruch

"Liebe Sylvia,

ich bekomme es leider nicht hin, einen Kommentar auf deinem Blog zu platzieren, weswegen ich dir jetzt so einen kleinen Gruß sende und nochmal kurz zusammenfasse, was ich dort bereits geschrieben hatte:

super, dass du da dran bleibst! „flüchtig“ gefällt mir ganz gut, allerdings würde ich einen titel, der noch offener ist, noch besser finden. während der letzten vhs-dienstagsrunde, ging mir „aufbruch“ oder „aufbrüche“ oder „geschichten von aufbrüchen“ durch den kopf - vielleicht weil hannelore (die kennst du, glaube ich, von der einen werkstatt hier bei mir zu hause) einen unfassbar komischen text geschrieben hat über drei heilige könige töne, die aus so einer geschnitzten pyramide ausbrechen. und sabine hat gleich mindestens zwei texte, die in frage kommen, wie ich sie dann anschließend erinnerte …"

Eine Mail von Jutta bzw. ein Kommentar, der nicht einstellbar war. Aber jetzt doch auftaucht. Wie von Zauberhand. 
Nein, natürlich nicht! Ich habe ihn kopiert.

Wer hat eine Meinung zu den Themenvorschlägen? Mir gefällt 'Geschichten vom Aufbruch' gut.
VORSCHLÄGE bitte hier ins Kommentarfeld oder per Mail oder auch von Zauberhand von euch zu mir. 

Herbstliche Grüße
Sylvia

Finja, Paul, Luisa, Matti, Bennet, Mona, Lucy, Hannah


Freitag, 23. Oktober 2015

10 Fragen

Durch Juttas Blog 'Über das Schreiben von Geschichten' (juttareichelt.com) wurde ich auf 'Sätze & Schätze' (saetzeundschaetze.com) aufmerksam. Auf ihrem beeindruckenden Blog stellt Birgit 10 Fragen zum Thema Buch.
Trotz großer Anstrengung ist es mir nicht gelungen, alle Fragen endgültig und vor allem einfach zu beantworten.

Also los, nach bestem Wissen.

- Das erste Buch, das du bewusst gelesen hast.
Das Urmel von Max Kruse ist das erste Buch, dass ich nicht schnell genug lesen konnte und von dem es glücklicherweise mehrere Bände gab und noch gibt. Wahrscheinlich hatte ich damals - ich nehme an, es war in der ersten oder zweiten Klasse - zum ersten Mal  eine Ahnung davon, was sich hinter dem Wort 'Sucht' verbirgt. Allerdings hatte ich selten einen Mangel an Büchern, die mich interessiert haben und auch kein Problem damit, ein Buch mehrmals zu verschlingen.

- Das Buch, das deine Jugend begleitete.
Das waren Berge von Büchern. Abgesehen von meiner Nesthäkchenzeit erinnere ich mich an Kinder-/Jugendbücher von Gudrun Pausewang, die mich damals wie heute enorm beeindrucken konnte. Judith Kerr hat mir das Dritte Reich mit all seinen Grausamkeiten und kindgerecht aufbereitet gezeigt.
Später war es George Orwell, der mich mit '1984' faszinierte und erschreckte.
Außerdem gab es reichlich Literatur zum Thema Frau. Eines dieser Bücher habe ich tasächlich noch im Regal: Anja Meulenbelt, 'für uns selbst'.

- Das Buch, das dich zur Leserin machte.
Das Urmeli. Die kleine Hexe war aber auch klasse.

- Das Buch, das du am häufigsten gelesen hast.
1984 von Orwell war das eine, Barbarische Hochzeit von Yann Queffélec das andere.

- Das Buch, das dir am wichtigsten war.
Natürlich sind es die beiden Bücher im vorherigen Punkt, sonst hätte ich sie nicht mehrfach gelesen. Aber auch Toni Morrisson gehört zu denen, die für mich wichtige Bücher geschrieben haben, Steinbeck ebenso wie Erich Hackl und Peter Sloterdijks Der Zauberbaum. Kein Ende in Sicht, kein Buch, das ich an die Spitze stellen kann.

- Das Buch, vor dem du einen riesigen Respekt hattest.
Ich glaube, ich war ziemlich respektlos. Jetzt habe ich Respekt vor den meisten Autorinnen und Autoren.

- Das Buch, das deiner Meinung nach am meisten überschätzt wird.
Der Hundertjährige, der aus dem Fenster sprang.

- Das Buch, das du unbedingt lesen willst - wenn da einmal Zeit wäre.
Weshalb Buch? BÜCHER! Ich habe mal eins aus dem Stapel gezogen: William Faulkner, Licht im August. Oder rät mir jemand ab und zu etwas anderem?

- Das Buch, das dir am meisten Angst macht.
Dieses Mal ist die Antwort einfach. Es ist das Manuskript zum Buch in meinem Computer, das gerade entsteht - oder auch nicht.

- Das Buch, das du gern selbst geschrieben hättest.
Ha! Da werde ich nie und nimmer fertig. Es gibt einfach nicht das eine Buch für mich.


Wer möchte noch? Antworten könnt ihr auf Sätze & Schätze oder eurem eigenen Blog und natürlich  hier.
Ich warte gespannt und grüße euch herzlich

Sylvia



Sonntag, 18. Oktober 2015

Schubladen-Texte

Foto: Jim Löhmann
Jeder, der schreibt, hat sie, die Texte, die in Schubladen modern. Zumindest nehme ich das an. Vielleicht scheinen sie euch selbst nicht gut genug für die Öffentlichkeit oder es gibt bisher keinen Verlag, der Interesse bekundet hat.

Aus welchem Grund auch immer: Ich würde diese Texte - eure und meine - gern ins Leben entlassen.
Wenn wir ein gemeinsames Thema oder mehrere finden, können wir neue Geschichten spinnen und alte ausgraben, aus denen Bücher oder Hefte entstehen.

Zusätzlich würde ich mich über Bilder freuen, die von Künstlern beigesteuert werden und die Arbeiten ergänzen und abrunden.





Themen könnten sein:

Flüchtig: Dabei denke ich nicht nur an die Menschen, die zur Zeit ihre Heimat verlassen müssen.
               Sicher gibt es noch mehr Assoziationen zum Wort.

Heimat: Was ist Heimat? Wo befindet sie sich? Benötigen wir überhaupt einen Ort,
              den wir Heimat nennen oder kann das auch etwas ganz anderes sein?

Arbeit: Macht sie uns glücklich oder legt sie uns Ketten an? Würde uns ein Millionengewinn
            Erleichterung verschaffen? Ertragen wir ein Leben ohne sinnvolle Arbeit?

Euch fällt sicher noch einiges ein. Jede Idee ist willkommen, mit einer Ausnahme. Ich weigere mich, rechte Texte aufzunehmen.

Über die Veröffentlichung können wir uns Gedanken machen, wenn wir ein Ergebnis haben oder während des Schreibens, Korrigierens, Zusammenstellens. Sollten wir keinen Verlag finden, gibt es ja immerhin die Möglichkeit, selbst im Netz tätig zu werden.

Jetzt zur Hauptsache, zum Geld, das in Strömen fließen, mit Schaufeln in Säcke geschippt, auf Lkw verladen werden wird.
Ich würde es gern spenden. Da wir wahrscheinlich nicht in die Verlegenheit kommen, Lkw mit Säcken von Talern zu entladen, macht es für mich Sinn, es dahinzuleiten, wo viele Tropfen irgendwann eine Karaffe füllen.

Mitschreiben und Schubladen entleeren erwünscht!
Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit euch.

Besonders angesprochen fühlen darf sich der BVjA Autorenstammtisch Bremen. Dort kann jede/r mitmachen, der Interesse am Schreiben hat - auch ohne bisher veröffentlicht zu haben. Wir treffen uns einmal im Monat. Das Datum wird auf unserer Facebookseite angegeben. Es ist aber auch möglich, über mich Kontakt zu knüpfen.

Einen trockenen Start in die Woche und liebe Grüße
Sylvia

Samstag, 17. Oktober 2015

Lesung im Lisboa

Entgeistert starrte sie auf die geöffnete Schachtel in ihrer Hand. Wie einen Würfelbecher stülpte sie das Samtkästchen auf den Tisch.
»Ich habe ihn von meinem ersten Gehalt gekauft. Für dich.« Karl spürte, dass sich Schweißtropfen auf seiner Stirn bildeten. 
Seine Mutter hob die Schachtel, als würde sie eine giftige Spinne darunter vermuten. Auf dem noch gedeckten Frühstückstisch glänzte das polierte Silber im Sonnenlicht zwischen Brötchenkrümeln, Käserinde und Eierschalen.
»Machst du das eigentlich mit Absicht?«, fragte sie schneidend, aber leise.
Karls Hände zitterten und er steckte sie in die Hosentasche. Was meinte sie damit: Absicht?
»Unglaublich.« Sie hob den Ring mit spitzen Fingern und betrachtete ihn in der Morgensonne. Vielleicht gefiel er ihr doch?
»Du kannst doch nicht wirklich so blöd sein und glauben, so etwas Geschmackloses würde ich tragen.«
Bis jetzt hatte sie ihm noch nicht ins Gesicht gesehen, und Karl fürchtete sich vor dem Moment, in dem sie es tun würde.
Der Ring lag starr auf ihrer Handfläche. Sie betrachtete das sanft gebogene Silber, berührte die glitzernden Smaragde, die als Augen dienten. »Ein Schwanenring! Auch noch mit giftig grünen Augen!« Jetzt durchbohrte und lähmte ihr Blick ihn. »Warum?«
Karl zuckte die Achseln. Seine Stimme war erloschen, genauso wie die Hoffnung, sie könnte sich über sein Geschenk freuen.
Mit einem katzenhaften Sprung schnellte sie von ihrem Stuhl, packte Karl im Nacken und zwang ihn, aufzustehen. Dann stieß sie ihn bis zur Vitrine im Wohnzimmer.
Mit bebenden Fingern deutete sie auf den Platz, auf dem die Tänzerin einmal gestanden hatte und der seit Langem verwaist war. »Genügt dir das nicht? Was? Antworte! Willst du mich erniedrigen? Quälen?«
»Aber Mutter! Ich würde dir nie ...«
»Ach was! Du bist doch auch nicht besser, du Bastard!«



Ein kleines Stück Text aus Kapitel 8 und der Lesung zu "Spiel der Tänzerin".

Am Donnertstag, den
5. November um 19.00 Uhr
lese ich im
Café Lisboa 
Friedrich-Ebert-Str. 121 
28201 Bremen.

Das kleine Café befindet sich an der Ecke zur Lahnstraße und in der Nähe des Leibnizplatzes.

Diese Lesung zum aktuellen Roman ist vorerst die letzte.
Als nächstes Projekt  möchte ich Kurzgeschichten veröffentlichen, und zwar gern mit anderen Autorinnen und Autoren zu einem ausgesuchten Thema. Dazu mehr in den nächsten Tagen.

Vielleicht bis zum 5. November oder dem Schreibkurs, der am 11. November beginnt.
Bis dahin + liebe Grüße

Sylvia


Samstag, 3. Oktober 2015

Aus purer Lust ...

Nach meiner Lesung bei Fischers habe ich natürlich meinen Schreibkurs "neue Türen öffnen" angepriesen. Eine Zuhörerin wollte daraufhin wissen, weshalb alle Welt meine, schreiben zu müssen.
Müssen muss selbstverständlich niemand. Doch das Schreiben kann die gleiche Befriedigung auslösen wie alles, was Freude bereitet. Ob es sich um einen Marathon handelt, einen selbst gestrickten Pullover oder eine reparierete Leuchte ist dabei unerheblich.
Der Spaß am Tun ist das, was unser Leben bereichert! So ist es schon bei Kindern. Vertieft in ein Spiel, erfahren sie die Befriedigung des Tuns und Funktionierens, benötigen kein Lob von uns Erwachsenen, sondern genügen sich selbst.
Auch Kursteilnehmer einer Schreibwerkstatt sind nicht verpflichtet, ihre Geschichten zu veröffentlichen. Sie müssen sie nicht einmal anderen zeigen, können sie ganz allein für sich als einen Schatz bewahren.
Es gibt Teilnehmer, die mitmachen, weil sie ihren Tagebuchstil verändern wollen, Briefe schreiben möchten oder einfach Spaß am Tun haben, ohne ein für andere sichtbares Ziel anzustreben.

Also sind alle eingeladen, sich glücklich zu schreiben!

Einen gemütlichen Sonntag wünsche ich allen.
Sylvia

Freitag, 2. Oktober 2015

Auf schwankendem Boden

So lautet die Überrschrift des Artikels im Weserkurier, den ich gerade im Netz gefunden habe.
Wer dann mal schauen möchte ...

http://www.weser-kurier.de/bremen_artikel,-Auf-schwankendem-Boden-_arid,1220378.html

Mir war übrigens nicht klar, dass ich mit einer Pressemeldung und der Kurzvorstellung meines Romans Erfolg bei einem Redakteur des Weser Kurier haben würde. Noch weniger konnte ich mir einen halbseitigen Artikel vorstellen.
Die Mühe hat sich gelohnt. Oder war es Zufall?
Auf jeden Fall möchte ich allen, die sich präsentieren wollen oder glauben, sich präsentieren zu müssen, Mut machen. Es funktioniert.
Ich kann mir vorstellen, dass Werbung auch zu einem Selbstläufer werden kann, wenn ihr eine Weile hartnäckig in die Öffentlichkeit tretet.
Ich möchte das erst einmal nicht mehr in dieser Form, habe genug über mich selbst geschrieben und gesprochen. Jetzt sollen wieder mehr die Geschichten einen Platz bekommen. Die Zeit fürs 'Spinnen' fehlt mir nämlich.
Ganz ohne Eigenwerbung wird es wohl nicht gehen, aber im Moment ist weniger eindeutig mehr.

Und jetzt muss ich zu Fischers flitzen, um Stühle für meine Zuhörer aufzubauen.

Vielleicht bis gleich
Sylvia

Donnerstag, 1. Oktober 2015

Geschichten - Geschenk

Morgen findet meine Lesung in Fischers Treff, Friedrich-Karl-Str. 101, 28211 Bremen statt. Ina Schulze, die für den Weser Kurier schreibt, hat einen Artikel über den Roman und mich verfasst, der heute in zwei Stadtteilbeilagen erschienen ist und meine Erwartungen weit übertroffen hat. Danke für die Mühe und somit Werbung, liebe Ina Schulze!

Für all die, die morgen ab 19.00 Uhr dem 'Spiel der Tänzerin' zuhören möchten, habe ich eine meiner Kurzgeschichten ausgedruckt - als zusätzliches Geschichten-Geschenk für euch.
Ich freue mich auf den Abend.

Sylvia

Samstag, 26. September 2015

Selbstdarstellung

Ich werbe für mich selbst, ein Buch, das ich geschrieben habe. Das stellt sich aus verschiedenen Gründen schwierig dar. Die Möglichkeiten, günstig oder sogar kostenlos zu werben sind zwar da, doch die Resonanz ist gering. Vielleicht ändert sich das, wenn auf den unten angegebenen Seiten häufiger Lesungen, Bücher und Schreibkurse angeboten werden.
Oder ist das Produkt Buch antiquiert?

Dann gibt es noch das Hemmnis der geisterhaften Stimmen:

So etwas tut man nicht! Sich selbst darzustellen, in den Mittelpunkt zu rücken ist unanständig. Liederlich!
Wenn es wenigstens etwas Anständiges wäre, ein nützliches Produkt in Masse. Eines, das Arbeitserleichterung bedeutete oder andere Vorzüge hätte. Aber ein BUCH?
Ist es perfekt, gibt es keine Einwände. Wenn es Millionen in die Kasse spült, sagt niemand etwas dagegen. Und so eines soll dein Buch sein?
Schämst du dich nicht deiner Überheblichkeit?
Wenn du wirklich etwas Ordentliches zustande gebracht haben solltest, fragt man sich doch, weshalb sich niemand findet, der die Werbung übernimmt? Ein Verlag zum Beispiel, die Medien. Warum sitzt du nicht längst in einem der breiten Sessel bei Giovanni di Lorenzo? Der nämlich nur für die wirbt, die es ganz bestimmt verdient haben!

Ohne Werbung verkaufe ich kein Buch. Gelernt habe ich die Selbstdarstellung nicht, möchte sie aber begreifen und für mich nutzen, tue es zum Teil schon und mühe mich damit herauszufinden, welche Möglichkeiten sich für die Werbung bieten.
Der immer gern zitierte Eisberg kann sich hier einmal ordentlich in Szene setzen. Dabei bildet seine winzige Spitze die reine Schreibzeit, in der ich kreativ arbeite, das monströse Untere spiegelt den Verkauf.

Reklame!
In Lesungen bekomme ich den persönlichen Kontakt,
über Flyer, Plakate, Postkarten, Facebook, Mundprobaganda und Zeitungsartikel bewerbe ich die Veranstaltung und mein Buch.
Außerdem gibt es ein paar Möglichkeiten, günstig oder kostenlos zu werben, und zwar hier:

www.exxtraseiten.de
Auf den Frauenbranchen-Seiten könnt ihr kostenlos auf der Infobörse werben, für eine 'anständige'  Anzeige bezahlt ihr wenig.
www.mix-online.de
Meine Lesungen kann ich kostenlos einstellen, für die Bewerbung von Kursen zahle ich 10,- Euro  für 96 Zeichen.
www.markt.de
www.ebay-kleinanzeigen.de
www.abisz-anzeigen.de
www.meinestadt.de
www.markt.weser-kurier.de 
www.quoka.de
www.bremen.de
Schwarzes Brett, geringe Kosten
www.local24.de
www.kalaydo.de

Wichtig ist eine Auswahl an Texten, denn auf jedem der Werbeforen ist der Platz unterschiedlich lang bemessen. Es gibt sogar Marktplätze, an denen ihr euch uneingeschränkt ausbreiten dürft. Fast überall könnt ihr mehrere Fotos hochladen und damit eure Präsenz erhöhen.

Viel Erfolg und einen sonnigen Wochenendtag!

Sylvia

Donnerstag, 24. September 2015

Exxtra Seiten: Suchen und Finden

Liebe Autorinnen und sonstige Frauen, die für sich werben wollen,
heute gibt es einen Beitrag für euch. Und für die, die auf der Suche sind.

Auf den Exxtraseiten, dem Bremer Frauenbranchenbuch von Andrea Buchelt und ihren Kolleginnen, findet ihr ca. 250 Anbieterinnen von Produkten und Dienstleistungen. Natürlich könnt ihr auch selbst hier für wenig Geld oder kostenlos bewerben, was ihr anzubieten habt.
Unter der Rubrik "Infobörse" findet ihr zum Beispiel meinen Schreibkurs.
Außerdem gibt es - und dafür bedanke ich mich noch einmal herzlich bei Andrea Buchelt - ein Porträt von mir.

Ein Blick in die Exxtra Seiten:
www.exxtraseiten.de
www.facebook.com/ExxtraSeiten

Weitere Werbe-Tipps und -Seiten teile ich in den nächsten Tagen mit euch.

Bis dahin herzliche Grüße
Sylvia

Sonntag, 20. September 2015

Psychodrama in Fischers Treffpunkt

Ich lese wieder aus dem Roman "Spiel der Tänzerin"

am Freitag, den 2. Oktober 2015
um 19.00 Uhr
in Hanni und Hanns-Gerd  Fischers Bridge-Treffpunkt
"Fischers"
Friedrich-Karl-Str. 101
28211 Bremen

Das Ehepaar Fischer bewirtet die Gäse mit Wasser und Wein, süßen und herzhaften Kleinigkeiten und viel Charme.

Wenn ihr neben meiner Lesung Interesse am Bridge habt, könnt ihr euch gern mit Fischers in Verbindung setzen:

Fischers Treffpunkt
0421-46889636 oder 494577
www.fischers-treff.de
hg-fischer@fischers-treff

Neben dem Bridgespiel werden Ausstellungen und  Lesungen geboten. Außerdem vermieten Fischers die Räume vormittags und am Wochenede, z.B. für Kurse.

Ich freue mich über euren Besuch zu meiner Lesung, auf anschließende Gespräche und Fragen.
Wie jedes Mal sammle ich Spenden für die Bremer Tafel.
    

Samstag, 19. September 2015

Auf die Bühne!

Das Schreiben von Geschichten mit allem Drum und Dran (Streichen, Feilen, Verzweifeln, Glücklichsein, ...) ist die eine Seite des Geschäfts, die Werbung für das eigene Werk die andere.
Zur Werbung gehört für Schriftsteller das Lesen vor Publikum. Die Zeiten der sensiblen Genies, die es sich leisten können, unbehelligt von der Welt in ihrer Klause zu hocken, scheinen vorüber. Ausnahmen zählen nicht.
Viele Autorinnen und Autoren haben panische Angst vor dem öffentlichen Auftritt - genauso wie ich vor einem halben Jahr noch.
Dass sich Ängste entwickeln, wenn wir vor den Augen und Ohren anderer etwas leisten müssen, ist nicht ungewöhnlich.

Als Grundschulkind durfte ich ein Schneeflöckchen unter vielen mimen. Ich glaube, wir waren zwei Dutzend kleiner Mädchen in weißem Tüll, die hinter der Bühne auf ihren Auftritt warteten. Der konnte erst einmal nicht stattfinden, weil sich eins der Flöckchen, nämlich ich, übergeben musste. "Das kotzende Schneeflöckchen", mag sich der eine oder andere Zuschauer des dörflichen Weihnachtsspektakels in den Bart gegrinst haben, während meine Mutter und andere Frauen auf den Knien lagen, um die Bescherung vom Boden und den Tüllröcken zu putzen.
Auch in den Jahren danach, die mit weiteren Theaterkatastrophen, Klassenarbeiten und  Prüfungen gespickt waren, wurde das Lampenfieber nicht besser. Tränen, Kreislaufschwäche, völliges Verstummen, wasserfallartiger Redefluss, der nichts mit dem abgefragten Thema zu tun hatte, ... ich habe nichts ausgelassen.
Auch meinen Roman wollte ich, als nur noch wenige Kapitel vor mir lagen, nicht beenden. Die Aussicht darauf, ihn vorlesen zu müssen, war unerträglich.

Bis mir die Lösung einfiel: die Vorbereitung mit Profis.

Viola Bauer ist eine von ihnen. Als Schauspielerin, Theaterpädagogin und Autorin weiß sie, worum es auf der Bühne bei einer Lesung geht.
Sie kann hervorragend vortragen und genausogut vermitteln, wie das funktioniert.
Das tut sie jetzt zum zweiten Mal für alle, die Interesse und Bedarf haben im Kurs

Auf die Bühne!

am Samstag, den 24. + Sonntag, den 25. Oktober 2015
jeweils von 10.00 bis 17.00 Uhr in der
Villa Ichon, Raum 2
Goetheplatz 4
28203 Bremen

Der Kurs kostet 15,- Euro und die Teilnehmerzahl ist auf 6 beschränkt.
Meldet euch bis zum 14. Oktober an:
info@literaturkontor-bremen.de oder direkt bei Viola:
rauchzart@gmx.de

Weitere Informationen zu Viola und dem Kurs "Auf die Bühne!" gibt es hier:
http://www.literaturkontor-bremen.de

Diese Vorbereitung, die ich kurz vor meiner ersten Lesung mitmachen durfte, hat mir meine Ängste komplett genommen, und jeder, der einen meiner Auftritte gesehen und gehört hat, kann sich wahrscheinlich nicht vorstellen, dass ich je Schwierigkeiten gehabt habe.

Also ihr Lieben: AUF DIE BÜHNE!

Samstag, 12. September 2015

Christoph - eine Variante

Zeichnung: Otto Hopp
Christoph ist verschwunden. Das würde man sich zuflüstern. Hinter vorgehaltener Hand und mit einem Seitenblick auf die arme Katharina.
Er fragte sich schon lange, wie es wäre, zu verschwinden. Welches Gefühl sich wohl einstellte, wenn man sich plötzlich von der Welt löste? Wer würde ihn vermissen?

Als er sich zum ersten Mal gewünscht hatte zu verschwinden, war er fünf Jahre alt gewesen, saß vor dem Fernseher und folgte einer Show, in der ein Zauberer auftrat. Seine Eltern lachten und bezeichneten den Mann mit schwarzem Zylinder und Frack als Stümper, der seinen Job nicht versteht. Doch Christoph war voller Bewunderung und wollte sich fortzaubern können wie dieser Mann am Ende der Show.

Später veränderte sich das Verschwinden-Wollen. In der Schule war der Wunsch nach einer Tarnkappe in den Fächern Mathematik, Physik, Chemie, Latein und Sport mit jedem Jahr drängender geworden.
Die Zeit der Mädchen überschnitt die Phase der Tarnkappe. Kam ihm eines dieser undurchschaubaren, leichtfüßigen Wesen unverhofft zu nahe, hoffte er inständig, der Boden unter seinen zu großen Füßen, die an dürren Beinen baumelten, möge sich öffnen, ihn mitsamt seines glühenden Gesichts verschlingen.
Mit dem Abstand der Jahre und damit einhergehender Weitsichtigkeit bemerkte er, wie unsinnig seine Wünsche gewesen waren. Wegläufer nannte er sich im Nachhinein. Das war in den Jahren, in denen er sich für unbesiegbar hielt und meinte, die Welt hätte allein auf ihn gewartet.
Aber auch diese Phase war vorübergegangen und die Idee, von einem Moment zum nächsten zu verschwinden, hatte erneut Besitz von ihm ergriffen. Zuerst nur vage und selten, dann oft und konkret. Und das hatte bestimmt nichts mit Katharina zu tun, auch wenn das jeder mutmaßen würde. Am ehesten sie selbst.
Dieses Mal hatte er das Verschwinden gewagt, allerdings ohne es zu planen, mehr intuitiv. So würde Katharina es nennen. Doch Katharina war Vergangenheit. Alles war Vergangenheit, sogar er selbst. Oder vielmehr das Selbst, dass er noch gewesen war, als er am Morgen die Haustür hinter sich zugezogen hatte.

Der Weg zur Arbeit war immer gleich und begann um 6.45 Uhr, auch an diesem besonderen Morgen, von dem noch niemand wusste, wie besonders er werden würde. Vier Meter Waschbeton bis zum Asphalt der Straße, links abbiegen, den Bürgersteig entlang. Umhüllt vom Hupen, Motorengetöse, Rufen, Schimpfen, Hundegebell. Umhüllt und zusammengehalten.
Kurz bevor er den Bahnhof erreichte, sah er, dass sich die Türen des Busses, seines Busses, mit einem Zischen schlossen. Der Motor heulte auf und schon fädelte sich das Fahrzeug in den fließenden Verkehr, entfernte sich brummend wie ein Insekt, das er gerade von seiner Haut gewedelt hatte.
Verdutzt blickte er dem Bus hinterher, warf einen Blick auf die Uhr und stellte fest, dass sie stehen geblieben sein musste. Es war exakt 6.45 Uhr und das konnte nicht sein, denn um exakt 6.45 Uhr war er von zu Hause losgegangen. Wie jeden Morgen.
Natürlich hätte er im Büro anrufen können oder bei Katharina, die sicher noch zu Hause war, weil sie später und mit dem Auto zur Arbeit fuhr. Stattdessen stand er still, die Aktentasche mit den Broten und dem Apfel in der Hand.
Er ließ die Tasche fallen. Der schmatzende Aufprall des Leders auf den Asphalt legte sich wie eine Patina auf seine Wirbelsäule, klatschte auf seine Schläfen. Er fasste sich ins Kreuz wie einer, der einen Stich in den Bandscheiben spürt, tastete die unteren Wirbel hinauf und herab, ließ die Fingerkuppen kreisen und wurde bleich. Lag da nicht eine blättrige Schicht auf ihm, sogar durch den Stoff seines Hemdes spürbar? Vorsichtig zog er am Oberhemd, glitt mit der Hand darunter, bekam einen Zipfel zu fassen, zog und zerrte an den Lappen, die ihn, fest miteinander verbunden, einhüllten.
War ihm nicht gerade heute Morgen der Gedanke gekommen, er würde von Geräuschen zusammengehalten? Konnte das möglich sein? Legte sich das Quietschen von Reifen, das Schreien fremder Kinder, das Dröhnen von Presslufthämmern auf ihn? Seit Jahren? Wohlmöglich schon sein Leben lang? Und hatte er das nicht schon längst geahnt?
Christoph wankte zur Bank im Wartehäuschen. Dieser Mantel, genäht aus Lauten und Tönen, Geraschel und Geprassel, aus Wimmern und Kreischen wog schwer. Das spürte er jetzt und auch, dass er ihn nicht mehr lange würde tragen können. Die Wirbel in seinem Nacken knirschten, als er den Kopf drehte und sah, wie viele Menschen gebeugt über den Asphalt schlichen. Nur die Kinder hopsten noch an den Händen ihrer Mütter, aber schon die älteren mit den Schultaschen auf den Schultern bewegten sich langsam und schwerfällig.
Er klopfte seine Arme ab, dann den Bauch, die Brust, schließlich die Oberschenkel und Knie, die Waden. Da war kein Gefühl. Taub die Gliedmaßen, erdrückt und erstickt. Nicht einmal sein Kneifen in Wangen und Ohrmuschel löste Schmerz aus. Die verfluchten Schichten verhinderten jedes Durchkommen!
Sein eigenes Seufzen erklang von weit her und er lehnte sich zurück, schloss die Augen.

Nur ein paar Minuten später klimperten Absätze. Christoph hörte die Leichtigkeit eines Schritts, das Flattern eines Rocks. Verwirrt riss er die Augen auf.
»Sind Sie nicht von hier?«, wagte er zu fragen, als die junge Frau neben ihm stehen blieb und den Fahrplan studierte.
»Nein, ich bin vom Meer.« Sie lachte und fuhr sich durchs Haar. »Sieht man mir das an?«
»Ja.«
»Und warum?«
»Sie wirken wie ein Schmetterling neben fetten Raupenpuppen.«
Wieder lachte sie. »Das ist doch eine gute Nachricht. Aus Raupen werden Schmetterlinge, zumindest aus den klugen.« Ihr Haar flatterte, als sie den Kopf wand und einem kirschroten Bus entgegensah, der die Haltestelle anfuhr, vor dem Wartehäuschen ausrollte.
»Fahren Sie mit diesem Bus nach Hause, zurück ans Meer?«, fragte Christoph und stand auf, weil er die Antwort längst wusste.

Im Inneren des Busses sog er die Luft ein. Frisch und süß ließ sie sich atmen und leichter, als in den Straßen der Stadt. Die Passagiere, die nicht einmal die Hälfte der Sitze belegten, lachten miteinander. Christopf saß allein, weil er es so wollte. Er mochte nicht reden und er hatte bemerkt, dass die erste Schicht auf seinem Körper Blasen warf. Das musste man niemand anderem zumuten, fand er. Tatsächlich brachen die Pusteln auf und bröckelten wie Farbreste auf den erdbeerfarbenen Sitz. Christoph fegte die Krümel, Brocken und Splitter mit dem Handrücken auf den Boden, der bald rund um seine Füße mit einem fleckigen Teppich seiner Schichten belegt war.
Dann kam die Leichtigkeit. Er lachte über einen Satzfetzen, der an ihm vorbeiwehte, zwinkerte einer kichernden Alten zu, die sich an seinem Sitz vorbeischob. Christoph schälte sich.
Nach zwei Stunden steuerte der Busfahrer einen Rastplatz an und Christopf fühlte sich  derart befreit, dass er meinte, Flugversuche unternehmen zu können. Auf einem verbrannten Stück Gras neben dem Toilettenhäuschen hopste er ein wenig. Auf beiden Beinen, dann auf einem, breitete die Arme aus und ja, beinahe lösten sich die Füße ganz und gar vom Boden.
Schließlich ließ er sich auf die gelben Halme fallen, pflückte den einzigen Löwenzahn weit und breit und blies in die weiße Kugel. Kleine weiße Schirmchen lösten sich, wirbelten davon. Er hätte Katharina mitnehmen können. Sie trug ebenfalls an ihren Schichten, auch wenn sie das nicht wusste. Er jedoch hatte sie gesehen. Lange schon, bevor er überhaupt von der Existenz seines eigenen Ballastes wusste. Der weniger wurde, immer weniger.

Vom Schaukeln des Busses musste er eingenickt sein, denn als er die Augen öffnete, lag weißer Sand vor ihm. In der Nähe rauschte das Meer. Von den anderen Fahrgästen war niemand mehr zu sehen. Nur der Busfahrer hatte sich zu ihm umgedreht und lachte freundlich.
Christoph rappelte sich auf, stieg aus und winkte dem davonbrausenden Bus hinterher. Fedrig fühlte sich sein Körper an und auch sein Kopf lag nicht mehr schwer auf harten Schultern. Er sah an sich herab. Seine Arme waren weiß, als seien sie noch nie dem Licht ausgesetzt worden, durchsichtig beinahe. Beim Aneinanderreiben der Hände spürte er die Weichheit wie ein Nichts. Er strengte sich an, um in der beginnenden Dämmerung seine Umrisse erkennen zu können.
Hier und da hingen noch Fetzen an ihm, doch auch die würde er jetzt lösen. Christoph warf seine Arme in die Höhe, jauchzte, rannte los, riss sich das Hemd vom Oberkörper, schleuderte die Schuhe von sich und zerrte, am Wasser angelangt, an seinem Hosenbund. Das Meer empfing ihn kühl und er rang nach Luft. Doch dann schwamm ein Stück der Schicht auf dem Wasser davon und schon begann er, zu reiben und zu ziehen. Schließlich angelte er eine Muschel vom Grund und schabte mit der scharfen Kante über seine Haut. Das Wasser wurde tiefer, doch er tappte weiter, Schritt für Schritt und schrubbte.
Dann verlor er den Boden. Blickte auf seine Hände. Konnte sie nicht erkennen. Bewegte die Beine auf und ab, fühlte sich schwerelos. So leicht, dass er aufhörte, Widerstand zu leisten. Wurde getragen und würde sich nicht mehr anstrengen müssen.
Er dachte an Katharina.

»Sag mal, ist da nicht gerade noch ein Mann im Meer geschwommen?«
»Ja, einer von den Städtern, einer von denen, die immer so merkwürdig herumplantschen und mit sich selbst beschäftigt sind."
»Und wo ist der jetzt?«
»Na, er wird sich wahrscheinlich genauso aufgelöst haben wie alle anderen vor ihm.«
»Wie die Gespenster, diese Städter.«
»Wie Leute, die glauben, in jedem Kokon sei ein Schmetterling verborgen.«
»Was?«
»Ach nichts.«

Freitag, 11. September 2015

Christoph ist verschwunden

Jutta Reichelt ist Schriftstellerin und lebt in Bremen. Genauso lange wie ich.
Aber nicht nur das verbindet mich mit ihr. Die Texte, die sie schreibt, gefallen mir so gut, dass ich sie immer wieder lese.
Einer dieser Texte heißt "Wiederholte Verdächtigungen", Juttas Roman, der im Frühjahr 2015 erschienen ist. In dem Roman verschwindet Christoph und lässt Katharina ratlos zurück.

Juttas erster Satz, an dem sie sehr hing und der unbedingt am Anfang des Buches stehen sollte, lautete "Christoph ist verschwunden". Im Laufe der Überarbeitung wurde er aber gestrichen.
So ist das. Texte, manchmal nur Fragmente, die uns Autoren lieb und wertvoll sind, als Herzstück der Geschichte dienen sollen, fallen plötzlich dem Korrekturstift zum Opfer. Meistens müssen wir einsehen, dass die Lektoren klüger sind. Oder mächtiger. Oder doof und ungerecht, doch dann bleibt das Buch eventuell in der Schublade.

Für diesen einen Satz (CHRISTOPH IST VERSCHWUNDEN) hat Jutta eine spannende Lösung gefunden, konnte sich entscheiden, ihren Schatz freizugeben, und zwar für alle, die sich Gedanken über Christoph machen wollen.

In Juttas Blog "Über das Schreiben von Geschichten" könnt ihr mehr erfahren: juttareichelt.com

Morgen gibt es hier im Blog meine Version von Christophs Verschwinden. Denn ich habe ihn gesehen und weiß sicher, wo er geblieben ist.

Bis dahin wünsche ich euch allen viel Vergnügen beim Suchen und Finden von Christoph.

Samstag, 29. August 2015

Schreibkurs

Ich möchte neue Türen mit euch öffnen!


Foto: Frank Bol
Vom 11. November 2015 bis zum
20. Januar 2016
findet an fünf Abenden mein Schreibkurs
NEUE TÜREN ÖFFNEN
in der
Manufaktur am Benqueplatz
Benquestr. 64/Ecke Wachmannstr.
28211 Bremen
statt.

Anmelden könnt ihr euch unter
s.meywerk@web.de oder
manufakturambenqueplatz@gmail.com

Wir treffen uns mittwochs, und zwar am
11. und 25. November
9. Dezember
6. und 20. Januar von 19.00 - 21.00 Uhr.

Wenn ihr Spaß am Schreiben habt,
neue Techniken und Methoden kennenlernen möchtet,                         
einen Einstieg sowie Ideen braucht,                                                         
anderen Menschen mit der gleichen Vorliebe begegnen wollt,              
um euch auszutauschen und Rückmeldungen zu bekommen,
oder wenn ihr Erinnerungen festhalten möchtet,
lade ich euch herzlich ein, an meinem Schreibkurs teilzunehmen.

Ohne Leistungsdruck Texte zu schreiben, vorzulesen und darüber zu sprechen ist das, was ich mir mit euch zusammen vorstelle.

Mithilfe von Schreibideen und -aufgaben inspiriere ich und rege an, Neues auszuprobieren, helfe, wenn nötig, gebe Tipps, wenn sie gewollt sind.

In unserem Schreiblabor experimentieren wir und entwickeln
Geschichten,
Schreibrhythmus,
Stil,
Stoffe, aus denen Träume und Albträume sind.

Wir untersuchen, ob ein Text funktioniert, d.h. ob er verstanden wird,  berührt oder sachlich wirkt.

Alles ist erlaubt, auch ein Bild zu malen, wenn die Worte fehlen.

Anmelden könnt ihr euch ab sofort. Die Kursgebühr beträgt 100,- Euro.
Sollten weniger als fünf Personen teilnehmen, kann der Kurs leider nicht stattfinden.
Falls sich mehr als zehn anmelden, kann ich einen zweiten Termin  anbieten.

Ich freue mich auf euch!

Sylvia



Mittwoch, 19. August 2015

Leseprobe

Um einen kurzen Einblick ins Buch zu geben, habe ich einen Teil des Kapitel 14 kopiert.
Wer mehr lesen möchte, kann das auf den Seiten des Niebank-Rusch Fachverlags oder über Amazon.
Viel Vergnügen!



 Spiel der Tänzerin

»Oh, wie schön Sie es haben.« Sie stand mitten im Wohnzimmer, breitete die Arme aus und drehte sich.
Nein, natürlich würde er sie niemals bitten, zu gehen.
»Mein Mann meint, ich könne jederzeit ...« Sie sah ihm entgegen, ihren Hals gestreckt, das Kinn erhoben. Ihre Lippen glänzten matt. Karl senkte den Blick auf seine vor dem Bauch gefalteten Hände, die er hastig in die Hosentaschen steckte.
»Selbstverständlich bin ich jederzeit für Sie da. Ihr Mann und ich, nun, wir haben neulich einen, sagen wir, einen ganz interessanten Abend miteinander verbracht.« Er zog ein frischgebügeltes weißes Tuch aus der Hosentasche und tupfte sich die Stirn. Das ist mir alles zu viel, dachte er. Ich habe doch gar keine Ahnung, wie man eine Frau verführt, wenn es überhaupt das ist, was ich will. Warum ist sie hier? Was soll ich mit ihr anfangen? Sein Blick irrte zur Kommode. Das Bild seiner Mutter warf gespiegelten Flammenschein in den Raum. Obwohl er nichts erkennen konnte, war ihm, als grinse ihr sonst so verkniffener Mund.
»Es ist schon gut«, unterbrach sie seine Gedanken. »Ich kenne meinen Mann. Es gibt keinen Grund, ein weiteres Wort über ihn zu verlieren. Er verliert genügend über sich selbst.« Miriam lachte auf.
»Bitte nehmen Sie Platz und seien Sie versichert, dass mir ihr Besuch ein Vergnügen ist.«
Amüsiert fragte sie: »Sagt man das so? In Ihren Kreisen, meine ich?«
»In meinen Kreisen?«
»Na ja«, sie blickte sich um und nickte anerkennend. »Geschmackvoll, teuer. Und Sie leben hier ganz allein?«
»Ja.« Er räusperte sich. »Was darf ich Ihnen anbieten?« Karl spürte sein Erröten, als käme ihm jemand mit einem glühenden Eisen zu nahe, und biss sich auf die Lippen. Miriam betrachtete ihn unverwandt.
Ihr Blick ist hungrig, dachte er und ein leichtes Unwohlsein mischte sich in seine Aufgeregtheit. Wie albern! Sie wird mich wohl kaum fressen. Als sein Blick das Bild seiner Mutter streifte, hörte er ein Wispern. »Bis auf den letzten Tropfen, den allerletzten, wird sie dich aussaugen, Bürschchen.«
Auf dem Weg in die Küche konzentrierte er sich darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen und gleichzeitig seinen Rücken gerade zu halten.
»Es ist wirklich nett, dass Sie mich besuchen. Leider hatte ich neulich keine Zeit, mich vorzustellen.« Einen Kaffeefilter in der erhobenen Hand schlenderte er betont lässig ins Wohnzimmer zurück. »Oder möchten Sie lieber eine Tasse Tee? Wegen der Kälte?«
Miriams Augen fingen Karls Blick ein. Sie lächelte, streifte die roten Lackschuhe von den Füßen, und zog die Beine seitlich aufs Polster.
»Mögen Sie Tee?« Karl ärgerte sich. Dieses verdammte Krächzen in der Stimme!
»Sie sind süß. Wirklich.«
Er stand still und blickte die Wand an. Machte sie sich lustig?
»Haben Sie ein Glas Sekt oder Champagner? Für uns beide?«
Nervös eilte Karl in die Küche zurück. Die Tür des Kühlschranks stieß hart gegen sein Knie. »Natürlich habe ich Champagner. Auch Sekt und Rotwein und alles, was du willst«, murmelte er und wischte sich den Schweiß mit einem Geschirrtuch von der Stirn.
Mit der Flasche in der Hand richtete er sich auf und suchte an der Arbeitsplatte Halt. »Ich kann nicht«, flüsterte er. »Ich muss dieses Schauspiel unterbrechen.« Doch er wusste nur zu gut, dass er kein Zuschauer war, der den Saal einfach verlassen konnte, wenn ihm die Vorstellung nicht gefiel. Er selbst stand nämlich auf der Bühne und der Vorhang hatte sich bereits geöffnet. Dieses Mal saß er nicht in der Loge, um irgendein Stück von oben herab anzusehen. Nein, er war der Hauptakteur, der nur noch auf sein Stichwort wartete. In jedem Fall war es zu spät, die Flucht zu ergreifen, es sei denn, Miriam, der Star dieser ganzen Inszenierung, unterbrach die Vorstellung.
»Was bin ich nur für ein Idiot«, schalt Karl sich leise und drehte an dem Draht der Flasche. Da hatte er endlich, wovon er seit Wochen träumte, eine Situation, in der er sich beweisen konnte, und alles, was er zustande brachte, waren Stottern, Erröten und Fluchtgedanken. Vorsichtig löste er den Korken aus dem Hals und schenkte ein. Zwei Gläser balancierend, die Flasche im Arm und kurz davor, zu stolpern, betrat er das Wohnzimmer.
Sie saß noch immer mit angewinkelten Beinen auf dem Sofa und sah ihm entgegen.
Miriam rutschte ein Stück zur Seite und klopfte mit der flachen Hand auf das Polster neben sich. Karl hätte lieber ihr gegenüber in einem der tiefen Sessel Platz genommen, setzte sich dennoch auf die Couch und atmete ihr Parfum. Veilchen, er hatte es gewusst!
»Auf eine fruchtbare Nachbarschaft.« Miriam hob ihm ihr Glas entgegen.
»Worauf?«, lachte er verblüfft.
Ihr Champagnerkelch berührte seinen mit leisem Klirren und auch sie lachte. »Sagt man das nicht so?«
Karl zuckte die Schultern. »Vielleicht, ja.« Verlegen leerte er sein Glas in einem Zug und beobachtete aus den Augenwinkeln, wie Miriam ihre langen Beine hin- und herrückte, als suche sie nach der gemütlichsten Position.
»Ich könnte mich in den Sessel setzen«, sagte er, aber schon lag ihre Hand auf seiner.
»Oh bitte«, flüsterte sie, »bleiben Sie ein wenig bei mir.«