Samstag, 17. Oktober 2015

Lesung im Lisboa

Entgeistert starrte sie auf die geöffnete Schachtel in ihrer Hand. Wie einen Würfelbecher stülpte sie das Samtkästchen auf den Tisch.
»Ich habe ihn von meinem ersten Gehalt gekauft. Für dich.« Karl spürte, dass sich Schweißtropfen auf seiner Stirn bildeten. 
Seine Mutter hob die Schachtel, als würde sie eine giftige Spinne darunter vermuten. Auf dem noch gedeckten Frühstückstisch glänzte das polierte Silber im Sonnenlicht zwischen Brötchenkrümeln, Käserinde und Eierschalen.
»Machst du das eigentlich mit Absicht?«, fragte sie schneidend, aber leise.
Karls Hände zitterten und er steckte sie in die Hosentasche. Was meinte sie damit: Absicht?
»Unglaublich.« Sie hob den Ring mit spitzen Fingern und betrachtete ihn in der Morgensonne. Vielleicht gefiel er ihr doch?
»Du kannst doch nicht wirklich so blöd sein und glauben, so etwas Geschmackloses würde ich tragen.«
Bis jetzt hatte sie ihm noch nicht ins Gesicht gesehen, und Karl fürchtete sich vor dem Moment, in dem sie es tun würde.
Der Ring lag starr auf ihrer Handfläche. Sie betrachtete das sanft gebogene Silber, berührte die glitzernden Smaragde, die als Augen dienten. »Ein Schwanenring! Auch noch mit giftig grünen Augen!« Jetzt durchbohrte und lähmte ihr Blick ihn. »Warum?«
Karl zuckte die Achseln. Seine Stimme war erloschen, genauso wie die Hoffnung, sie könnte sich über sein Geschenk freuen.
Mit einem katzenhaften Sprung schnellte sie von ihrem Stuhl, packte Karl im Nacken und zwang ihn, aufzustehen. Dann stieß sie ihn bis zur Vitrine im Wohnzimmer.
Mit bebenden Fingern deutete sie auf den Platz, auf dem die Tänzerin einmal gestanden hatte und der seit Langem verwaist war. »Genügt dir das nicht? Was? Antworte! Willst du mich erniedrigen? Quälen?«
»Aber Mutter! Ich würde dir nie ...«
»Ach was! Du bist doch auch nicht besser, du Bastard!«



Ein kleines Stück Text aus Kapitel 8 und der Lesung zu "Spiel der Tänzerin".

Am Donnertstag, den
5. November um 19.00 Uhr
lese ich im
Café Lisboa 
Friedrich-Ebert-Str. 121 
28201 Bremen.

Das kleine Café befindet sich an der Ecke zur Lahnstraße und in der Nähe des Leibnizplatzes.

Diese Lesung zum aktuellen Roman ist vorerst die letzte.
Als nächstes Projekt  möchte ich Kurzgeschichten veröffentlichen, und zwar gern mit anderen Autorinnen und Autoren zu einem ausgesuchten Thema. Dazu mehr in den nächsten Tagen.

Vielleicht bis zum 5. November oder dem Schreibkurs, der am 11. November beginnt.
Bis dahin + liebe Grüße

Sylvia


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